Über Alle Grenzen
Text war rührend, warm und vermied alles Förmliche; Karmapa ernannte uns darin zu “Haltern seiner Aktivität”. Als Hannah den Brief sah, wurde sie unsicher. “Jetzt gibt es keinen Grund mehr, Rinpoches zu schicken”, wandte sie ein und ließ hinzufügen: “In Abwesenheit von voll ausgebildeten Lehrern”. Karmapa war erstaunt über diesen Vorschlag, stimmte dann aber zu. Ich hätte besser auf mein innerstes Gefühl hören und keine “Verbesserung” von Karmapas Dokument zulassen sollen. Diese Einfügung wurde später Munition für diejenigen, die keinen Verwirklicher-Buddhismus mochten.
Zu Besuch bei Karmapa
Der Monat endete mit einem großen Fest auf dem flachen Dach des Hotels. Als wir am nächsten Morgen gerade in den Bus gestiegen waren, wurden Niels und ich noch einmal zurückgerufen. Er und andere Medizinkundige in der Gruppe hatten das halbe Dorf behandelt und Rumtek sehr genützt. Wir wurden zum Haus der bhutanesischen Königsfamilie geführt, das etwa 100 Meter oberhalb des Klosters liegt. Die Leute sahen sehr bedrückt aus. Gyalyum, die stattliche Hauptfrau des verstorbenen Königs, saß mit dem Kopf in den Händen auf einem Stuhl, während Blut aus ihrer Nase lief. Das war die Rache des Butter-und-Salz-Tees, ein schlimmer Schlaganfall, den Niels für tödlich hielt. Karmapa nahm es nicht so ernst. Während er witzelnd herumging und Kräuter auf ihren Kopf warf, sagte er zu Acchi Pema Dechen, der liebevollen jüngeren Königin, sie solle uns nach Bhutan einladen, sobald die Gruppe nach Hause gefahren sei. Wie er die Königin rettete, wissen wir nicht, aber Gyalyum, die uns wie eine Mutter behandelte, begegnete uns noch häufig - und gesund - auf unseren Reisen.
Karmapa bei der Diamantdolch-Einweihung
Nach Rumtek folgten ein paar wundervolle Wochen bei Lopön Tsechu Rinpoche in Nepal. Dann reisten die Freunde nach Hause und wir nach Bhutan. 1970 hatten wir uns zweimal ins Land geschmuggelt, erst allein und dann unter Karmapas Gepäck versteckt. Diesmal lag das Geschenk direkt auf dem Tisch: eine echte Einreiseerlaubnis.
Mit Lopön Tsechu Rinpoche und Buddha Laximi
In einem nagelneuen Jeep fuhren wir die kleine kurvige Straße mit großartiger Aussicht von der Grenzstadt Phuntsholing in die Berge hoch. Kurz vor der Hauptstadt Thimphu liegt ein Schloss des Sohns der Königin Pema Dechen. Alles war darauf vorbereitet, den weißen Gästen ein bequemes Leben zu bieten. Doch es kam anders. Anstatt uns zu bedienen, sahen unsere vier stattlichen persönlichen Diener, die beiden Fahrer und verschiedene Köche viele Tempel ihres Landes. Jeden Tag wanderten wir stundenlang die Berge hinauf zu besonderen Klöstern und Höhlen. Wir waren an Stellen, die nie zuvor ein Weißer gesehen hatte und die heute nicht mehr zugänglich sind. Die am stärksten gesegneten Orte der Thimphu- und Paro-Täler wurden uns damals in die Hände gelegt, und ihre Kraft ist seitdem immer bei uns. Die Klöster haben Namen wie Chiri, Tago und Jowo. Ich erwähne sie hier, weil die Namen eine gute Kraft wachrufen.
Ende April 1979 verabschiedeten wir uns in Kalkutta. Hannah fuhr zu Niels und Shamarpa nach Nepal, um bei seinem ersten Kurs außerhalb Rumteks zu übersetzen. Ich brannte wie immer darauf, nach Europa zu kommen, zu all den Freunden und Möglichkeiten dort. Eines war sicher: Die zweite Pilgerfahrt hatte allen Nutzen gebracht und sollte nicht die letzte sein. Eine wichtige Brücke war geschlagen.
Nach Kopenhagen führte mein erster Besuch nach Stavanger in Norwegen. Dann ging die Fahrt durch Europa weiter, in gebrauchten, aber schnellen Autos, jetzt mit deutschen Nummernschildern. Wegen des wachsenden Zeitdrucks und der unmöglich hohen Steuern in Dänemark blieb das so. Wie dankbar wir der Firma “Pitzner” auch waren: Wir brauchten nun Autos, über die wir voll verfügen konnten.
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Dilgo Khyentse Rinpoche (1910-1991)
Kyabje Dilgo Khyentse (1910-1991) war einer der größten verwirklichten buddhistischen Meister der Nyingma-Schule des 20. Jahrhunderts. Er wurde als hervorragender Dichter, Gelehrter und Dzogchen-Meister respektiert. Er war einer der Hauptlinienhalter der Dzogchen Longchen Nying-thig-Linie und das Oberhaupt der Zhé-shen Linie.
Dilgo Khyentse war einer der letzten, aus der Generation großer Meister, die ihre Ausbildung noch in Tibet abschließen konnten. Viele hochrangige tibetische Lamas, so auch der 14. Dalai Lama, betrachteten ihn als ihren Lehrer. Auch im Westen hatte er eine große
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