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Über Bord

Titel: Über Bord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Familientreffen plant, bin ich gern dabei. Ja, ich bin fast ein wenig neugierig auf diesen Bankert. Wie sieht er denn aus?«
    »Vielleicht ein bisschen wie Matthias. Aber Mutter, warum hast du nie auch nur ein Wörtchen über Papas Affäre verloren?«
    »Kinder müssen nicht alles über ihre Eltern wissen, sie ahnen ja sowieso, dass auch wir nur Menschen und keine Engel sind. Hast du etwa deinen Töchtern den ganzen Frust mit Adam erzählt?«
    Eigentlich schon, dachte Ellen, so viel Contenance wie sie hätte ich nie aufgebracht. Sie machte den zaghaften Versuch, ihre Mutter zu umarmen und ließ es damit bewenden. Unser liebes Mütterchen wollte uns schonen und wir sie ebenfalls, dachte sie gerührt, legte sich aufs Sofa und schlief vor laufendem Fernseher ein. Als noch viel später die Haustür ging, beschloss sie, erst am nächsten Tag mit Amalia ein Hühnchen zu rupfen.
    Auf dem Weg zur Arbeit begann Ellen mit ihrer Standpauke, wurde aber sofort von Amalia unterbrochen.
    »Mama, du siehst das völlig falsch! Ich wollte doch nur beweisen, dass dieser Gerd Dornfeld ein Betrüger ist. Auf keinen Fall wollte ich dir in den Rücken fallen, sondern ganz im Gegenteil. Ich wusste genau, dass du ihm nicht geglaubt hast.«
    »Dann wollen wir das mal gelten lassen«, seufzte Ellen. »Deine Oma weiß leider auch schon Bescheid, ich sehe nichts als Turbulenzen auf mich zukommen!«
    Ihre Tochter lachte nur. Sie fand die ganze Sache spannend.
    Die Turbulenzen ließen nicht lange auf sich warten. Ellens Geschwister riefen an diesem Abend einer nach dem anderen an. Der umständliche Holger erklärte, dass ein Familientreffen nur während seines Urlaubs stattfinden könne – also noch in diesem Monat. Matthias schlug vor, die jeweiligen Kinder erst einmal nicht einzubeziehen, sondern nur die fünf Geschwister nebst Partnern (soweit vorhanden), natürlich den neuen Bruder sowie die Mutter. Christa mit ihrer sozialen Ader wollte genau wissen, wie Hildegard reagiert habe. Nach drei ausführlichen Gesprächen mochte Ellen gar nicht mehr an den Apparat gehen, tat es aber doch und musste sich nun mit Lydia auseinandersetzen. Ihr ging es um rein praktische Fragen: Wo sollte die schicksalhafte Begegnung überhaupt stattfinden?
    Da biete sich doch Matthias mit seiner großen Wohnung an, fand Ellen, außerdem habe er als Erster diese fragwürdige Zusammenkunft vorgeschlagen. Frankfurt sei für alle Teilnehmer gut zu erreichen, auch Holger könne vom Flughafen aus direkt ein Taxi nehmen.
    »Das ist keine gute Idee, Mutter wird es immer schlecht im Auto«, sagte Lydia. »Die anderen finden auch, dass es bei euch in Mörlenbach über die Bühne gehen muss. Ein Treffen in unserem ehemaligen Elternhaus ist doch am stilvollsten.«
    Und an wem dann die ganze Arbeit hängenbleibe? wollte Ellen wissen. Außerdem habe sie keine Gästezimmer. – Sie habe sich schon alles überlegt, behauptete Lydia. Von Frankfurt aus sei es ja nur eine Stunde bis in den Odenwald. Also könnten Holger und seine Frau Maureen bei Matthias wohnen, vielleicht auch Christa und ihr Mann Arno. Gerd würde sowieso am selben Abend wieder zurückfahren. Bliebe nur noch sie selbst, und für sie sei es kein großes Problem, bei Hildegard oder Ellen auf dem Sofa zu schlafen.
    »Du musst also nicht befürchten, dass euer Girls Camp durch einen Mann entweiht wird«, schloss Lydia ihre Rede.
    »Aber was ist mit deinem Manfred?«, fragte Ellen und bekam die Auskunft, dass der sich nichts aus der neurotischen Mischpoke seiner Partnerin mache und deswegen nicht mitkommen dürfe.
    »Inzwischen bin ich fast so männerfeindlich wie du oder Mutter«, sagte Lydia, »aber im Gegensatz zu euch habe ich es immer wieder mit einem Kerl versucht.«
    »Das habt ihr ja fein eingefädelt, ohne mich auch nur im Geringsten in eure Pläne einzubeziehen«, sagte Ellen und wurde plötzlich wütend. Beim letzten Gespräch dieses Abends war sie es, die zuerst das Handtuch beziehungsweise den Hörer hinwarf. Und auch Mutter wurde nicht gefragt, dachte sie aufgebracht. Wer muss schließlich für alle kochen? Wahrscheinlich doch wieder mal die alte Hildegard, und bei einem solchen Anlass ist es mit Erbsensuppe nicht getan. Ellen rechnete und kam auf zwölf Personen. Die nächste Generation sollte zwar nicht eingeladen werden, aber Amalia konnte man nicht gut ausschließen.
    Mehr als über die anderen Geschwister ärgerte sich Ellen immer über Lydia. Als Kind hatte ihre Schwester nie mit Puppen, sondern nur mit

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