Über Boxen
Ancient and Modern Pugilism» 18 , eine Geschichte des Prize Ring von den ersten Anfängen bis zu Egans Zeit, in der der Prize Fight , obwohl höchst populär, bereits illegal war und die Kämpfe nur durch Mundpropaganda bekannt gegeben wurden. (Die Auflagen der «Boxiana» waren hoch, das Werk erlebte seine bis jetzt letzte Auflage erst in den 1970er-Jahren.) Die Leidenschaft dieses Autors für seinen ungesetzlichen Sport teilt sich dem Leser in einem Prosastil mit, der ganz ungewöhnlich kraftvoll ist – farbig, direkt, derb, «männlich» – und doch so subtil und witzig nuanciert wie der seiner Vorgänger aus dem achtzehnten Jahrhundert: Defoe, Swift, Pope, Fielding, Churchill. Egan nannte Boxen «die süße Kunst zu verletzen», und A . J. Liebling zitiert ihn als Quelle und Vorbild in seinem Buch «The Sweet Science» , einer «Boxiana» unserer Zeit, die von Boxenthusiasten sehr geliebt wird. 19
(Ich kann die Bewunderung für das Liebling-Buch nicht ganz teilen, da mich seine durchgehend spöttische, herablassende und teilweise rassistische Haltung dem Boxen gegenüber irritiert – aber ich scheine damit allein zu stehen. Dass diese bemüht launige Zusammenstellung von Einzelreportagen mit ihrem überdeutlichen Humor und den Anklängen an Situationskomik, in der Boxer zu amüsanten «Genretypen» werden, so eigentümlich gekünstelt wirkt, hat möglicherweise etwas damit zu tun, dass «The Sweet Science: Boxing and Boxiana – a Ringside View» in den frühen Fünfzigerjahren ursprünglich im «New Yorker» erschien. Liebling kann sich selbst bei Champions wie Louis, Marciano und Robinson nicht entscheiden, ob er sie bewundern oder über sie spotten soll. Und er ist erbarmungslos, wenn er über «Hurricane» Jackson schreibt, einen schwarzen Boxer, den er seiner schlechten Boxtechnik und seiner intellektuellen «Minderwertigkeit» wegen – was auch immer Liebling darunter versteht – ein Tier nennt, auf grausamste Weise ein «Es». Für Liebling und für den «New Yorker» scheint es problematisch gewesen zu sein, einen blutigen Sport wie das Boxen einer eleganten, wohlhabenden Leserschaft zu «verkaufen», die die Vorstellung, dass zwei Männer um ihr Leben kämpfen, als geradezu abstoßend empfunden haben dürfte. Wie konnte man das dramatische Element beim Boxen herausstellen und das tragische Element außer Acht lassen? Liebling hat dieses Problem trotz seines stilistischen Geschicks nie ganz gelöst.)
Man hat viel Aufhebens gemacht von der Faszination, die das Boxen auf Ernest Hemingway ausgeübt hat, aber Hemingway hat nie mit solcher Sympathie und solcher Klarsicht über das Boxen geschrieben wie über den Stierkampf. «Fifty Grand» und «The Battler» gehören nicht zu Hemingways besten Kurzgeschichten, und sein Porträt des «Princeton-Mittelgewichts» Robert Cohn in «The Sun Also Rises» ist eine erschreckend rohe Judenhetze, die Cohns Boxkünste als irrelevant abtut. (Die Szene, in der Cohn, provoziert bis zum Äußersten, Jake Barnes und dessen betrunkenen Freund zu Boden schlägt, ist so kurz, dass sie beim Leser fast keinen Eindruck hinterlässt.) Sehr viel klüger und kenntnisreicher ist Norman Mailer, dessen Essays über Cassius Clay alias Muhammad Ali und seine Zeitgenossen und allgemein über die «Ästhetik der Arena» mit zum Besten gehören, was je zu diesem Thema geschrieben wurde. Mailers Stärke liegt in seiner Erkenntnis, dass Boxer anders sind, und obwohl er es an keiner Stelle ausspricht, nicht einmal in der langen, extravaganten Meditation «The Fight» (einer Hommage an Hazlitts großartigen Essay gleichen Titels), wird dem Leser schnell klar, zumindest empfinde ich es so, dass Mailer es nicht schafft, zwischen sich und den Boxern eine Verbindung herzustellen. Er versucht es mit höchstem Einsatz, aber er kann sie nicht verstehen, und so ist er für immer von dem ausgeschlossen, was sie, ohne darüber nachzudenken, verkörpern: eine ideale Männlichkeit (ideal, weil unbewusst und selbstverständlich), die nicht mehr hinterfragt werden muss. Diese Erkenntnis der eigenen Ausgeschlossenheit aus der kodifizierten Welt des Boxens – die fast so vollständig ist wie beispielsweise die einer Frau – verleiht der Vision Mailers ihre Kraft. Und da die großen Champions unserer Zeit Schwarze sind, ist die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Männlichkeit bei Mailer ebenso eine Auseinandersetzung mit dem, was es heißt, ein Schwarzer zu sein. Von hier rühren die
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