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Über Boxen

Über Boxen

Titel: Über Boxen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates
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präsentierte. Wenn wir ihn in seinen – nun ja, nicht mehr allerbesten Jahren kämpfen sehen, fällt uns Jean-Paul Sartres Wort ein: «Genie ist weniger eine Gabe als ein aus Verzweiflung geborener Erfindungsreichtum.» Ali hat etwas von einem Hochstapler, er legt es darauf an, dass wir an seine Unzerstörbarkeit glauben wollen, sogar wenn Ali selbst vielleicht nicht vorbehaltlos daran glaubt oder glauben kann. Nehmen wir den Kampf gegen Foreman. In «When We Were Kings» wird Foreman wiederholt «blöd angequatscht»; er ist der Gegner, den wir verachten sollen, weil er nicht Ali ist, unser Held. (In gewisser Hinsicht ist im Ring nur Platz für einen Boxer, wenn dieser Boxer Ali ist. Im Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums ist Ali nicht fair.) Es ist wie im Märchen, wo es Helden und Bösewichter gibt: Foreman ist trotz all seines Könnens der Bösewicht. Während wir diesen erstaunlichen Kampf zwischen einem alternden Muhammad Ali und einem jungen, starken George Foreman ansehen, der angeblich zu den Schwergewichtsboxern mit dem härtesten Schlag aller Zeiten zählt, fragen wir uns verblüfft: Wie hat Ali das gemacht? Einmal abgesehen von seiner übermenschlichen Willenskraft – wie konnte sein Körper diesen wiederholten erbarmungslosen Schlägen standhalten? In der Rope-a-dope -Taktik triumphierte der nackte, zielbewusste Masochismus; doch ein solcher Triumph zieht unvermeidlich nicht wiedergutzumachende Schäden nach sich. (Hätte sich Ali gewünscht, Foreman zu besiegen, wenn er seinen körperlichen und geistigen Verfall, den «Parkinsonismus» der späteren Jahre, geahnt hätte?) Schon in diesem Kampf, der ihn wieder zum Weltmeister machte und der den launigen Titel Rumble in the Jungle trug (als handelte es sich um einen Trickfilm oder Comic!), mutete Ali seinem Körper etwas zu, das «fast wie Sterben» war.

    Abb. 7: Joe Louis mit zahlreichen Gratulanten in seiner Umkleidekabine im Yankee Stadium, New York, nach seinem spektakulären Sieg über Max Schmeling am 22 . Juni 1938.

    Abb. 8: Max Schmeling beim Training am 3. Juni 1936, 16 Tage vor seinem ersten Kampf gegen Joe Louis.
    Nach diesen außergewöhnlichen Kämpfen genoss es Ali, wieder der King of the World , «der Größte» zu sein. Er hatte seine Stellung als berühmtester Sportler der Siebzigerjahre und vielleicht aller Zeiten gefestigt. Wie sich herausstellen sollte, hatte er dafür mit seiner Gesundheit bezahlt, aber damals wäre es ihm das vielleicht wert gewesen. Anders als Rocky Marciano, der einzige ungeschlagene Schwergewichtschampion der Geschichte, boxte Ali mit ernst zu nehmenden Gegnern, die meisten jünger als er. Mehrmals hat er seinen hart erkämpften Titel verteidigt, gegen Gegner wie Chuck Wepner, Ken Norton (der ihm den Kiefer brach), Jimmy Young (der ihm das Trommelfell zerriss) und Earnie Shavers; völlig unerwartet verlor er 1978 gegen den jungen Leon Spinks, der damals nur sieben Profikämpfe aufzuweisen hatte, nach Punkten. Obwohl Ali den Revanchekampf gegen Spinks für sich entschied und danach seinen Rücktritt ankündigte, konnte er nicht widerstehen und stieg erneut in den Ring; zwei Jahre später wurde er von seinem früheren Sparringspartner Larry Holmes endgültig und schmerzhaft geschlagen. Zu diesem Zeitpunkt war Ali achtunddreißig und längst über seine besten Jahre hinaus; eigentlich war seine Karriere 1978 mit der Niederlage gegen Spinks zu Ende gegangen.
    1978 bis 1981 . Herbstliches Nachspiel. Doch wie so viele andere frühere Champions (Louis, Ezzard Charles, Ray Robinson, Ray Leonard, Roberto Durán und andere) kämpfte Muhammad Ali weiter, auch wenn er nicht annähernd so gut boxte wie früher. In seinem letzten Kampf, der in den Vereinigten Staaten schon nicht mehr genehmigt und daher auf den Bahamas unter primitiven, unprofessionellen Verhältnissen veranstaltet wurde (der defekte Gong wurde durch eine Kuhglocke ersetzt), trat er gegen den mittelmäßigen achtundzwanzig Jahre alten Trevor Berbick an, der den langsamen, übergewichtigen, schwerfälligen Ali leicht nach Punkten besiegte. Es gibt einen Augenblick, in dem sogar der aus der Verzweiflung geborene Erfindungsreichtum versagt. (Berbick sollte sich dadurch auszeichnen, dass er 1986 in der zweiten Runde seines Titelverteidigungskampfes spektakulär flachgelegt wurde, und zwar von dem neuen Boxwunderkind Mike Tyson, mit dem die «Post-Ali-Ära» endgültig ihren Abschluss fand.) Der englische Sportjournalist Hugh McIlvanney schrieb:

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