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Über das Sterben

Über das Sterben

Titel: Über das Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gian Domenico Borasio
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neigen, Patienten trotz ärztlicher Verordnung nicht als SAPV-Patienten anzuerkennen (und damit die Betreuung nicht zu finanzieren), wenn nicht technische Geräte wie Schmerzpumpen oder Ähnliches angewendet werden. Dies verkennt die Aufgabe der Palliativmedizin als ganzheitliche Sterbebegleitung und setzt falsche Anreize in Richtung einer Technisierung des Lebensendes, wie sie durch die SAPV eigentlich verhindert werden sollte.
    3. Eine große Gefahr stellt die in letzter Zeit zu verzeichnende Tendenz der Krankenkassen dar, die SAPV und die häusliche Pflege gegeneinander «auszuspielen». Die Familien werden vor die Wahl gestellt: entweder das eine oder das andere. Das widerspricht der Intention des Gesetzgebers, der die SAPV bewusst als
zusätzliche
Leistung zu den bestehenden Versorgungsstrukturen geschaffen hat, um die Qualität der Versorgung Sterbender zu verbessern. Die SAPV soll gerade
nicht
die Grund- und Behandlungspflege leisten, sondern die Pflegedienste, Hausärzte und alle anderen Professionellen in der Sterbebegleitung koordinieren, beraten und unterstützen. Es kann nur jeder Familie geraten werden, die vor eine solche Wahl gestellt wird, der jeweiligen Kasse mit juristischen Schritten und notfalls mit dem Gang an die Öffentlichkeit zu drohen – das wirkt nach unserer Erfahrung Wunder.
    Trotz dieser Probleme stellt die Einführung der SAPV grundsätzlich einen sehr positiven Schritt für die häusliche Versorgung Schwerstkranker und Sterbender dar und ist insofern zu begrüßen. Die weitere Umsetzung muss allerdings stärker als bisher die Bedürfnisse der Patienten und Familien im Auge haben und die Gefahr des Abgleitens in einen Kleinkrieg von Partikularinteressen vermeiden.
Palliativstationen
    Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einer Palliativstation und einem stationären Hospiz zu verstehen; er ist selbst vielen Ärzten noch nicht völlig klar. Eine Palliativstation ist eine Akutstation innerhalb eines Krankenhauses, sie steht unter ärztlicher Leitung. Aufgabe einer Palliativstation ist
nicht
primär die Begleitung in der Sterbephase, sondern die Bewältigung von Krisensituationen bei unheilbar Kranken. Auslöser für solche Krisen können körperliche Symptome sein wie Schmerz, Atemnot, Erbrechen oder Delir, aber auch psychosoziale Krisen mit drohendem Zusammenbruch des Familiensystems oder existentielle/spirituelle Krisen mit akutem Wunsch nach Lebensbeendigung (der meist ein Hilfeschrei ist, siehe Kapitel 9).
    Aufgabe einer Palliativstation ist es, mittels eines spezialisierten Teams aus Ärzten, Pflegenden, Sozialarbeitern, Psychologen und Seelsorgern die Ursachen der Krise herauszufinden und sie mit gezielten Interventionen baldmöglichst zu beheben, damit die Patienten in stabilem Zustand und mit einem guten Versorgungskonzept nach Hause verlegt werden können. Dafür muss die Station Zugang zu allen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten eines Akutkrankenhauseshaben, denn Palliativmedizin kann auch Hightech-Medizin bedeuten (siehe Kapitel 4b). Die Patienten bleiben im Durchschnitt ca. zwei Wochen auf einer Palliativstation. Die Entlassungsrate liegt in der Regel bei ca. 50 Prozent, wobei die meisten Patienten nach Hause entlassen werden und einige ins stationäre Hospiz.
    Die erste Palliativstation Deutschlands wurde übrigens an der Universitätsklinik Köln im Jahr 1983 eingerichtet, eine Pioniertat des Chirurgen Heinz Pichlmaier.
Palliativmedizinische Konsiliardienste
    In Krankenhäusern, die über eine Palliativstation verfügen, werden die dort tätigen Palliativmediziner regelmäßig zur Beratung bei unheilbar kranken Patienten hinzugebeten, die auf anderen Stationen desselben Krankenhauses liegen. Durch diesen sogenannten «Konsiliardienst» (von
consilium
, dem lateinischen Wort für Beratung) können die Schmerz-und Symptomkontrolle optimiert, unnötige Therapien vermieden und die Wünsche des Patienten für seine letzte Lebensphase ermittelt und respektiert werden. Richtig arbeiten kann ein palliativmedizinischer Konsiliardienst allerdings nur, wenn er multiprofessionell besetzt ist. Dazu gehören mindestens eine ärztliche, eine pflegerische und eine sozialarbeiterische Fachkraft. Solche Teams (in England auch
Hospital Support Teams
, Krankenhaus-Unterstützungs-Teams genannt) können die Grundprinzipien der Palliativmedizin ins gesamte Krankenhaus «exportieren» und stellen eine sehr wirksame und kosteneffziente Art der Verbesserung der

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