Über das Sterben
appellierten die Studierenden an den Bundestag und den Bundesrat, das Gesetz passieren zu lassen, und widersprachen der Schutzbehauptung des Fakultätentags vehement: «Bis auf wenige einzelne Universitäten wird das Fach Palliativmedizin nicht als Pflichtlehr- und Prüfungsfach gelehrt und somit eine mangelhafte bis nicht vorhandene Ausbildung von Medizinern im Umgang mit Sterbenden in Kauf genommen.»[ 7 ] Das Gesetz wurde vom Bundestag am 19. Juni angenommen und vom Bundesrat am 10. Juli 2009 endgültig bestätigt.
Einziger Wermutstropfen: Die volle Wirkung dieses Gesetzes auf die Palliativversorgung in Deutschland wird sich erst in ca. 20 bis 25 Jahren entfalten – aber der Anfang ist getan.
Ausbildung schon tätiger Professioneller
Um die schon fertigen Ärzte, Pflegenden und sonstigen in der Palliativversorgung tätigen Professionellen mit dem Wissen vertraut zu machen, das ihnen bislang in ihrer Grundausbildung vorenthalten wurde, gibt es seit Jahren zunehmend viele Fort- und Weiterbildungsangebote vor allem seitens der deutschen Palliativ-Akademien. Die Deutsche Krebshilfe hat hier mit der Mildred-Scheel-Akademie in Köln eine Pionierrolle gespielt. Inzwischen gibt es in den meisten Bundesländern Einrichtungen, die interessierten Vertretern der verschiedenen Berufsgruppen Kurse anbieten, mit denen unter anderem auch die Qualifizierung als Palliativmediziner bzw. Palliative-Care-Pflegekraft erlangt werden kann. Für beide Zusatzbezeichnungen sind vier Wochenkurse à 40 Stunden vorgeschrieben. Das ergibt natürlich noch lange keine echten Spezialisten in der Palliativmedizin oder Palliativpflege, ist aber eine sehr gute Basis, um beispielsweise als Pflegekraft auf einer Palliativstation zu arbeiten oder als niedergelassener Arzt Patienten im stationären Hospiz zu betreuen.
Ausblick
Der Ausbau einer vernünftigen und bedarfsgerechten Versorgungsstruktur für Schwerstkranke und Sterbende erscheint in Deutschland durchaus möglich. Der Weg dahin ist allerdings noch weit, und die Gefahr der Einflussnahme durch sachfremdeInteressen ist, wie überall im Gesundheitswesen, ständig gegeben. Aber die ersten Schritte weisen in die richtige Richtung.
Tipp: Adressen von Palliativ- und Hospizeinrichtungen in Ihrer Nähe finden Sie in der Online-Version des «Wegweiser Hospiz und Palliativmedizin Deutschland»: www.wegweiser-hospiz-und-palliativmedizin.de
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Was brauchen die Menschen am Lebensende?
Die Definition der Palliativbetreuung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lautet:
«Palliativbetreuung dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur.»[ 1 ]
Zum ersten Mal in der Medizingeschichte werden hier bei der Definition eines medizinischen Fachgebiets die physischen, psychosozialen und spirituellen Probleme auf der gleichen Höhe gesehen. Daher wird in den folgenden Abschnitten von medizinischer Therapie, psychosozialer Betreuung und spiritueller Begleitung die Rede sein. Am Anfang steht jedoch ein Abschnitt über Kommunikation, denn diese ist die unabdingbare Voraussetzung jeder Patientenbegleitung.
a. Kommunikation
Kommunikation ist das A und O in jedem Arzt-Patienten-Verhältnis, nicht nur am Lebensende. Auch wenn man, nach dem berühmten Motto Paul Watzlawicks, nicht
nicht
kommunizieren kann, kann man sehr wohl schlecht kommunizieren – das beweisen Ärzte leider nicht selten. Im Folgenden sollen einige grundsätzliche Fakten über die verschiedenen Arten der Kommunikation am Lebensende dargestellt und Wege zur Verbesserung aufgezeigt werden (siehe auch Kapitel 7).
Empirische Beobachtungen
Die Schwerpunkte des Medizinstudiums lagen in den letzten Jahrzehnten zunehmend auf den «technologischen» Aspekten einer immer komplizierter werdenden Gesundheitswissenschaft. Als gesunde Gegenreaktion ist die verstärkte praktische Ausbildung am Krankenbett zu sehen, welche die neue Approbationsordnung eingeführt hat, wenn auch zum Preis einer weiteren Verschulung des Studiums. Sogenannte
communication skills seminars
(Seminare zur Förderung der Kommunikationsfähigkeiten) sollen den Studierenden die Technik des Arzt-Patienten-Gesprächs vermitteln. Das ist auch bitter nötig.
Bei vielen
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