Über das Sterben
persönlichen Wertvorstellungen und Ihre Einstellung zum eigenen Leben und Sterben bedenken und aufschreiben. Die folgenden Fragen könnten Ihnen helfen, über Ihre Lebenseinstellungen und Wertvorstellungen nachzudenken:
– Wie sind Sie bisher mit leidvollen Erfahrungen in Ihrem Leben umgegangen? Haben Sie sich dabei von anderen helfen lassen, oder haben Sie versucht, alles allein zu regeln und alles mit sich selbst auszumachen?
– Haben Sie Angst, anderen zur Last zu fallen, oder sind Sie der Meinung, dass Sie sich getrost helfen lassen dürfen?
– Wollen Sie noch möglichst lange leben? Oder ist Ihnen die Intensität Ihres zukünftigen Lebens wichtiger als die Lebensdauer? Geht Ihnen die Qualität des Lebens vor Quantität oder umgekehrt, wenn beides nicht in gleichem Umfang zu haben ist?
– Wie wirken Behinderungen anderer Menschen auf Sie? Wie gehen Sie damit um? Gibt es für Sie einen Unterschied in der Wertung zwischen geistiger und körperlicher Behinderung? Was wäre für Sie die schlimmste Form einer Behinderung? Welches Mindestmaß an Selbständigkeit ist für Ihre Lebensqualität unbedingt notwendig? Können Sie sich vorstellen weiterzuleben, wenn Sie nicht mehr mit den Menschen in Ihrer Umgebung kommunizieren können?
– Gibt es viele «unerledigte» Dinge oder Aufgaben in Ihrem Leben, für deren Regelung Sie unbedingt noch Zeit brauchen?
– Welche Rolle spielt die Religion in Ihrer Lebensgestaltung? Und welche Rolle spielt sie in Ihren Zukunftserwartungen, auch über den Tod hinaus?
– Welche Rolle spielen Freundschaften und Beziehungen zu anderen Menschen in Ihrem Leben? Haben Sie gern vertraute Menschen um sich, wenn es Ihnen schlecht geht, oder ziehen Sie sich lieber zurück? Können Sie sich vorstellen, einen Menschen beim Sterben zu begleiten? Würden Sie eine solche Begleitung für sich selbst wünschen?
Beschäftigen Sie sich mit den Fragen, die für Sie jetzt wirklich wichtig sind. Nehmen Sie sich Zeit dafür, sprechen Sie mit vertrauten Menschen darüber, und schreiben Sie Ihre wichtigsten Gedanken auf. Diese Notizen können Sie dann gesammelt Ihrer Patientenverfügung als ergänzende Erläuterung («Meine Wertvorstellungen») beilegen. Dies dient zum einen dazu, die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit Ihrer Entscheidung zu unterstreichen und Ihre persönlichen Überlegungen zu verdeutlichen. Zum anderen ist die Beschreibung Ihrer Wertvorstellungen eine unschätzbare Hilfe für Ihren Rechtsvertreter und Ihren Arzt, um bei Grenzsituationen, die von Ihrer Patientenverfügung nicht abgedeckt sind, eine Entscheidung in Ihrem Sinne zu treffen.
Patientenverfügung
Ein Fall aus der gar nicht so fernen, aber hoffentlich inzwischen endgültig überwundenen Vergangenheit:
Es kam so, wie der alte Mann es befürchtet hatte: Er wurde durch einen Schlaganfall gelähmt und war nicht mehr kontaktfähig. Eine Aussicht auf Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben bestand nicht. Für diesen Fall hatte er eine Patientenverfügung verfasst und festgelegt, dass er in einer solchen Situation keine lebensverlängernden Maßnahmen und keine künstliche Ernährung wollte. Die vom Gericht zur Betreuerin bestellte Tochter versuchte, den Willen des Vaters bei dem behandelnden Arzt durchzusetzen – vergebens; man dürfe den Patienten nicht «verhungern» lassen, beschied ihr der Arzt. Sie könne aber ihren Vater natürlich jederzeit mit nach Hause nehmen. Dies tat die Tochter, nicht ohne vorher den Arzt wegen Körperverletzung angezeigtzu haben. Der Vater starb friedlich nach wenigen Tagen, der Arzt revanchierte sich mit einer Anzeige wegen Totschlags. Beide Verfahren wurden letztlich eingestellt, bei der Tochter dauerte dies allerdings deutlich länger als beim Arzt. Tochter und Arzt sind bis heute durch die Ereignisse gezeichnet.
Es waren solche Fälle, die etwa seit der Jahrhundertwende wiederholt den Ruf nach einer gesetzlichen Klärung der Gültigkeit von Patientenverfügungen auslösten. Immer wieder wurde in den Medien über Situationen berichtet, in denen der Patientenwille von den Ärzten – aus falsch verstandener Fürsorgepflicht oder auch nur aus Angst vor Rechtsfolgen – übergangen wurde. Nach jahrelangem politischem Tauziehen wurde in Deutschland schließlich im Jahr 2009 das sogenannte «Patientenverfügungsgesetz» verabschiedet.[ 3 ]
Am Ende setzte sich der Entwurf durch, den der SPD-Abgeordnete Stünker federführend eingebracht hatte, allerdings angereichert durch einen wichtigen
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