Über das Sterben
Bevollmächtigten, sondern dem Willen des Patienten Geltung zu verschaffen.
Was passiert, wenn kein mutmaßlicher Wille feststellbar ist?
Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass kein mutmaßlicher Patientenwille feststellbar ist – sei es, weil sich die Angehörigen in ihrer Einschätzung des Patientenwillens widersprechenoder weil es gar keine Angehörigen oder Freunde gibt, die darüber Auskunft geben könnten. In solchen Fällen gibt es zwei Entscheidungswege: Wenn es in der Diskussion um eine einzige Therapiemaßnahme geht, die ärztlich indiziert ist, wird diese durchgeführt, da sie als indizierte Maßnahme definitionsgemäß dem Patientenwohl dient. Gibt es mehrere gleichwertige alternative Therapiemaßnahmen, die zur Diskussion stehen, entscheidet der Betreuer oder Bevollmächtigte, welche der Maßnahmen durchgeführt wird. In Notfällen und immer dann, wenn Gefahr im Verzug ist, muss der Arzt indizierte lebenserhaltende Maßnahmen zunächst durchführen.
Wann muss das Gericht eingeschaltet werden?
Eine wichtige Klarstellung und Verfahrenserleichterung hat das neue Gesetz in der Frage der gerichtlichen Genehmigung von Stellvertreterentscheidungen gebracht. Zwar bedarf es grundsätzlich einer richterlichen Genehmigung, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund der Durchführung oder des Unterlassens einer ärztlichen Maßnahme «stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet» (§ 1904 Abs. 1 und 2 BGB). Allerdings ist eine solche Genehmigung nicht erforderlich, wenn zwischen Patientenvertreter und behandelndem Arzt Einvernehmen über die Auslegung des Patientenwillens besteht (§ 1904 Abs. 4 BGB). Der Gang zum Gericht ist also nur in den Fällen erforderlich, in denen Arzt und Patientenvertreter unterschiedlicher Ansicht sind,
was den Patientenwillen betrifft
. Dies ist in der Praxis erfreulicherweise nur selten der Fall, so dass mit dieser Regelung eine weitereVerrechtlichung des Lebensendes erfolgreich vermieden werden konnte.
Drei goldene Regeln für Entscheidungen am Lebensende
Aus dem bisher Gesagten lassen sich drei einfache, aber sehr wirkungsvolle Regeln für gute Entscheidungen am Lebensende ableiten. Sie lauten:
Erstens: Reden,
Zweitens: Reden,
Drittens: Reden.
Wie der Fall des herzkranken Patienten ohne schriftliche Patientenverfügung zeigt, kommt es vor allem auf den Dialog zwischen dem Betreff enden und seinem sozialen Umfeld, seinen Angehörigen, Freunden sowie seinem Hausarzt oder behandelnden Arzt, an.
Ohne Dialog gibt es keine guten Entscheidungen
. Im Idealfall setzt sich dieser Dialog unmittelbar in der Umsetzung des «dialogischen Prinzips» bei der Ermittlung des Patientenwillens nach dem neuen Gesetz fort und führt dann zu Ergebnissen, welche die Wünsche des Patienten tatsächlich widerspiegeln. In diesem Sinne sollte eine Patientenverfügung
nie Ersatz für, sondern immer Ergebnis aus
einem Dialog zwischen allen Beteiligten sein. Als Teil eines umfassenden, in einen Dialogprozess eingebetteten Vorsorgeplans kann sie ihre Wirkung voll entfalten und dazu beitragen, Ängste vor einem Kontrollverlust in der letzten Lebensphase abzubauen.
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Was heißt hier «Sterbehilfe»? Medizin am Lebensende zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge
Kaum ein Begriff ist in Deutschland so kontrovers besetzt wie «Sterbehilfe». Und an kaum einem Begriff lassen sich die – allein schon rein sprachlichen – Schwierigkeiten im Umgang mit den Realitäten am Lebensende besser darstellen. Was heißt eigentlich «Sterbehilfe»? Hinter diesem Wort verbirgt sich eine ganze Reihe von möglichen Bedeutungen, die einander zum Teil widersprechen oder sich ausschließen. Das Spektrum reicht von der hospizlichen Sterbebegleitung über das Sterbenlassen und den assistierten Suizid bis zur Tötung auf Verlangen. Damit deutet sich schon an, dass der Begriff möglicherweise mehr verwirrend als hilfreich ist.
Die deutsche Rechtswissenschaft und Rechtsprechung haben sich bemüht, diesen Begriff im Hinblick auf juristische Entscheidungen weiter zu differenzieren. So entstanden «Unterformen» wie die sogenannte «aktive», «passive» und «indirekte» Sterbehilfe. Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden, damit klar wird, weshalb eine neue Begrifflichkeit für eine bessere Verständigung notwendig ist.
«Aktive Sterbehilfe»
Damit gemeint ist die direkte, aktive Beendigung des Lebens eines Menschen auf seinen expliziten Wunsch hin.
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