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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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gesprochen?«
    Bertram strich mit der Hand durch sein schütteres Haar und überlegte.
    »So genau weiß ich das nicht mehr, es ist auf jeden Fall mehr als einen Monat her.«
    »Hat sie irgendetwas von einer längeren Reise erzählt, die sie vorhatte?«
    »Nicht dass ich mich erinnern kann.«
    »Sie haben also nicht die geringste Ahnung, wohin sie gefahren sein könnte?«
    Es wollte Marder nicht in den Kopf, dass der Sohn von Vera Matuschek, der praktisch um die Ecke von seiner Mutter wohnte, überhaupt nichts über deren Leben zu sagen hatte.
    »Woher sollte ich das wissen, sie meldet sich bei mir weder ab, wenn sie wegfährt, noch meldet sie sich zurück, wenn sie wieder da ist.«
    Während der Untersuchung des Todes von Kommissar Matuschek hatte Marder festgestellt, dass der wesentliche Grund für das Zerwürfnis zwischen Bertram und seinem Vater die Schulden waren, die Bertram während seines Studiums angehäuft hatte. Sein Vater hatte es abgelehnt, ihm dabei zu helfen, sie der Bank zurückzuzahlen. Der alte Matuschek hatte Bertram vorgeworfen, er würde sein Geld doch nur verschwenden, und hatte ihn wegen seiner finanziellen Nöte auch noch verhöhnt. Marder verstand damals das Verhalten des Kommissars nicht und sah ihn daher nicht nur als Opfer, sondern auch als Täter in der Familientragödie. Darauf hatte er ausdrücklich in seinem Bericht zu dem Fall hingewiesen.
    »Herr Matuschek, wie steht es um Ihre Schulden bei der Bank? Sie sagten einmal, die würden Ihnen den Schlaf rauben, und Sie wüssten nicht, wie Sie sie jemals begleichen sollten.«
    »Es steht heute nicht viel besser als vor zwei Jahren. Nur habe ich mich daran gewöhnt und schlafe jetzt trotz meiner Schulden besser. Ich zahle sie nach wie vor Monat für Monat ab. Glücklicherweise ist die Bank mir etwas entgegengekommen – wahrscheinlich weil der Tod meines Vaters ziemlich prominent durch die hiesige Presse ging – und hat die monatlichen Raten ein wenig reduziert.«
    »Ich nehme an, dass Ihre Mutter Ihnen dabei so wenig hilft, wie es Ihr Vater getan hat.«
    »Keine Spur von Hilfe. Zuerst hatte ich ja gehofft, ich würde nach dem Tod meines Vaters gleich einen Teil aus dem Erbe erhalten. Dann hat meine Mutter ein Testament ausgegraben, in dem festgelegt war, dass das ganze Erbe erst einmal an den überlebenden Ehepartner geht. Das muss ein Testament aus den ersten Jahren ihrer Ehe gewesen sein. Ich vermute, mein Vater hatte es vergessen.«
    »Das bedeutet, Sie müssen auf den Tod Ihrer Mutter warten, um die Schulden mit einem Schlag loswerden zu können.«
    »Wenn sie bis dahin nicht alles durchgebracht hat – was mich nicht wundern würde. Bei ihr würde mich überhaupt nichts wundern.«
    Bertram zuckte abfällig mit den Schultern. Marder war schockiert, er wehrte sich gegen eine aufkommende Schwermut und wollte so schnell wie möglich in die Sonne hinaus. Die Hitze erschien ihm erträglicher als die Kälte, mit der Bertram Matuschek über seine Mutter sprach. Die Unterhaltung war zu einem Tunnel geworden, an dessen Ende kein Licht schien.
    Als Marder aufstand und gehen wollte, sagte Bertram: »Warten Sie mal …, da fällt mir etwas ein. Im letzten Sommer hat sie mich einmal angerufen, weil sie wegen einer Behördensache mein Geburtsdatum wissen wollte. Sie werden es kaum glauben, aber das hatte sie tatsächlich vergessen. Als ich sie fragte, von wo sie telefoniere, antwortete sie, sie sitze gerade an der Weser in der Sonne.«
    »Wissen Sie, warum sie von der Weser angerufen hat und nicht von zu Hause?«
    »Darüber habe ich mich auch gewundert, weil sie meines Wissens nach nicht mal ein Handy hat. Als ich sie danach gefragt habe, hat sie nur gesagt, das gehe mich nichts an, das Handy habe ihr jemand geliehen. Mehr weiß ich nicht, aber vielleicht hilft Ihnen das ja weiter.«

Kapitel 8
    An diesem Mittag gab es nichts zu Mittag.
    Als Marder noch gearbeitet hatte, war es an hektischen Tagen vorgekommen, dass er keine Zeit zum Essen fand. Das war nichts Ungewöhnliches für einen Kriminalbeamten, und er akzeptierte das als Ausgleich für die Tage, an denen er mehr Kalorien zu sich nahm, als er verbrauchte. Seit er im Ruhestand war, war er allen Mahlzeiten des Tages ausgeliefert. Zwischendurch noch ein Stück Kuchen, meistens mit Sahne, oder ein Eis (auch mit Sahne), vielleicht ein Stückchen Zartbitter-Schokolade aus der Tiefkühltruhe. Er aß mit Genuss und hatte Zeit, den Genuss zu genießen. Seine Frau war eine gute Köchin, bemüht, ihn

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