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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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versuchte es gar nicht erst, obwohl er sich denken konnte, wie die Geschichte weitergehen würde.
    »Ich bin also hingegangen und nichts war so wie versprochen. Es waren ungefähr zwanzig Leute da, alle um die sechzig oder älter. Wir wurden drei Stunden lang mit Worten traktiert und am Ende genötigt, Unterwäsche, Miederwaren und Stützstrümpfe zu kaufen. Die Leute waren eingeschüchtert und keiner traute sich, einfach aus dem Raum zu gehen.
    Glücklicherweise wusste ich ganz gut, was solche Sachen in einem Fachgeschäft kosten, weil ich mich vor kurzem in einem umgesehen hatte – aber die wollten das Vierfache davon und nach sensationellen Preisnachlässen immer noch das Dreifache.«
    »Hat denn niemand gefragt, warum die Wäsche so teuer ist?«
    »Ja doch, einer hat es gewagt, die anderen saßen ganz verunsichert da. Wir bekamen als Antwort einen Vortrag über die tollen Erfindungen eines Dr. Emanuel Berghauser: Wenn man ganz dünne Metallfäden über Kreuz in die Wäsche einwirkt, dann erzeugt dies angeblich auf der Oberfläche des Körpers eine Spannung, die Falten und Orangenhaut verschwinden lässt. Zusätzlich sollen die gekreuzten Metalldrähte eine magnetische Strahlung erzeugen, die bis tief unter der Haut die Erneuerung von Zellen bewirkt.«
    Frau Thann zeichnete waagrechte und senkrechte Linien in die Luft.
    »Der Verkäufer erklärte uns, dass sich die Pharma- und Bekleidungsindustrie gegen diese Erkenntnisse wehren, um den Absatz ihrer eigenen veralteten Produkte zu schützen. Deswegen müsse man solche Verkaufsveranstaltungen vor Ort organisieren. Eigentlich läge der Preis für diese Produkte ja noch viel höher, wenn man die reellen Kosten bei der Herstellung zugrunde legte. Man würde diese Sachen nur deswegen so preiswert anbieten können, weil es sich um eine Einführungskampagne handele und man vielen Leuten die Chance geben wolle, sich von dieser Neuheit zu überzeugen und gleichzeitig etwas für ihre Gesundheit zu tun. Dafür würden der Hersteller und die Verkäufer gern auf ihren Gewinn verzichten.«
    Hohn und Verachtung waren in ihrer Miene zu lesen. Ihre Augen schleuderten zornige Blitze auf den Frühstückstisch.
    »Da hatte ich längst mitbekommen, dass man uns verschaukeln wollte, aber ob Sie es glauben oder nicht, es gab eine Reihe von Leuten, die was gekauft haben.«
    »Was waren der Gewinn und die Geschenke, die man Ihnen versprochen hatte?«
    »Das war der Gipfel der Frechheit. Der Gewinn war ein weiterer Rabatt von hundert Euro, aber nur wenn man für mindestens fünfhundert Euro einkaufte, und das Geschenk war ein Buch von dem Herrn Dr. Berghauser, ein angeblich hoch renommierter Arzt, in dem er seine Erfindung be schrieb. Das vorzügliche Essen waren lauwarme Pommes mit einem Schnitzel. Das Schnitzel war so klein, als wäre es von einem Kinderteller geflohen. Ich habe beides stehen lassen. Und meine Getränke musste ich auch noch selbst bezahlen.«
    Diese Geschichte hatte Marder in Variationen über Magnetdecken, Vital-Säfte, Gymnastikgeräte, Ernährungszusatzstoffe bereits von anderen Bekannten gehört, sie überraschte ihn daher nicht. Sie bestätigte ihn allerdings in seiner negativen Einstellung Herrn Schweinzer und seinen Berufskollegen gegenüber.
    Frau Thann erinnerte sich an ihren Kaffee und trank einen Schluck.
    »Der ist ja widerlich süß und fast kalt, so was kann doch kein Mensch trinken. Jetzt muss ich aber los, morgen kommen meine Enkel für ein paar Tage zu Besuch, da muss ich noch ein Gästezimmer in ein Kinderzimmer verwandeln.«
    Als Marder ins Freie trat, hatte die Sonne noch nicht ihren höchsten Stand erreicht, aber die Hitze, die sie aussandte, war unerträglich. Die Wettervorhersage hatte für den Tag neue Spitzenleistungen angekündigt, das Thermometer sollte auf über vierzig Grad klettern. Marder hatte den Eindruck, als wurde die Voraussage schon jetzt am frühen Vormittag übertroffen. Sein Hemd klebte am Körper.
    Als er durch den Garten zur Pforte ging, entdeckte er Brisbane. Der Kater lag auf dem Rücken in einer Blumenstaude und streckte seine Pfoten senkrecht in die Luft. Auf diese Weise versuchte er wahrscheinlich, seinem Bauch durch die leichte Brise etwas Kühlung zu verschaffen, die den Deister herauf wehte. In einer derart entwürdigenden Position hatte er Tatze, den Kater, in dessen Zuhause er und seine Frau früher lebten, nie gesehen. Allerdings konnte er sich an keinen Tag in Stade mit vierzig Grad im Schatten erinnern.
    Bis zu dem

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