Ueber Den Deister
so?«
»Ja, er ist wirklich gesprungen. Sie können sich vorstellen, was für einen Schreck ich da bekommen habe. Ich habe im Boot gesessen und ungläubig auf die Stelle im Wasser geschaut, wo er verschwunden war. Als sein Körper nach mehreren Minuten wieder hoch kam, war er wahrscheinlich schon tot. Ich konnte jedenfalls nicht feststellen, dass er noch atmete. Von dem Moment an geschah alles so, wie ich es heute Morgen erzählt habe. Ich konnte ihn nicht ins Boot ziehen, um zu versuchen, ihn wiederzubeleben, und als wir endlich am Bootssteg ankamen, war er, wie schon gesagt, im Gesicht blau angelaufen und ganz kalt.«
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das glauben soll. Ich verstehe nicht, warum Sie mir vorhin weismachen wollten, dass Volkerts Tod ein Unfall war, wenn es in Wirklichkeit ein Selbstmord war.«
»Das kann ich Ihnen erklären. Wenn ein Mann Selbstmord macht, zeigt jeder auf seine Frau und fragt, was sie ihm wohl angetan hat, dass er nicht mehr leben wollte. Das habe ich nach dem Tod von Alfred durchgemacht. Ich wurde nach seinem Selbstmord von allen, die mich kannten, regelrecht geächtet und ignoriert. Deswegen bin ich auch aus dem Tennisverein ausgetreten. Das will ich nicht noch einmal erleben. Wenn eine Frau dagegen ihren Mann durch einen Unfall verliert, tut sie allen leid und wird bedauert, und alle wollen ihr helfen.«
Die Empörung in Veras Stimme über die Ungerechtigkeiten dieser Welt klang echt und überzeugend. Hatte Marder sich getäuscht? War Vera tatsächlich das Opfer von unglücklichen Umständen geworden? Nein, das war nach wie vor nicht wahrscheinlich. Und selbst wenn es Selbstmord gewesen war, so rechtfertigte es auf keinen Fall ihr Verhalten nach dem Tod von Volkert. Außerdem war etwas Wichtiges in Veras Bericht nicht logisch: Einerseits hatte sie alles getan, um ihre Beziehung mit Volkert geheim zu halten, andererseits behauptete sie, dass sie Angst davor habe, für Volkerts Selbstmord indirekt beschuldigt zu werden. Soweit Marder herausgefunden hatte, gab es vor ihrer Reise nach Schweden niemanden, der von der Beziehung zwischen ihnen gewusst hatte.
Vera schien Marders Zweifel zu spüren.
»Sie haben Schuld an allem. Hätten Sie nicht herumgeschnüffelt, wüsste niemand, dass ich mit Volkert in Schweden war, als er Selbstmord begangen hat. Dann hätte ich nicht die Fragen nach seinem Tod beantworten müssen, auch nicht zu lügen brauchen. Jetzt, da Sie mich zwingen, die Wahrheit zu sagen, werden die Leute behaupten, ich treibe alle Männer, mit denen ich zusammen bin, in den Tod.«
»Frau Matuschek, was immer Sie getan haben, haben Sie selbst zu verantworten. Ich möchte nur, dass Sie die Wahrheit sagen.«
Das war keine besonders originelle Reaktion, aber Marder fiel nichts Besseres ein.
»Ich werde jetzt gehen, aber halten Sie sich bitte zur Verfügung, ich werde noch einmal mit Ihnen sprechen müssen.« Als er das Haus verließ, war sich Marder bewusst, dass das nächste Gespräch zwischen ihm und Vera nicht mehr in dieser Wohnung stattfinden würde. Es war inzwischen fast halb vier, die Kriminalbeamten aus Hannover mussten jeden Moment eintreffen. Auf der Straße vor dem Haus war es ruhig. Marder ging langsam auf und ab, ohne Haus und Garten der Matuscheks aus dem Blick zu lassen. Nach einigen Minuten bog ein unauffälliges Mittelklasseauto in die Straße
ein und hielt vor Veras Haus. Zwei ebenso unauffällig gekleidete, mittelgroße Männer stiegen aus, gingen zur Haustür und klingelten. Nach kurzem Warten wurde die Tür geöffnet und sie verschwanden im Haus. Zehn Minuten später kamen sie wieder heraus und führten Vera in ihrer Mitte zum Auto. Einer von ihnen stützte Frau Matuschek am Ellbogen. Marder drückte sich in die Hecke, hinter der er beobachtete, wie Vera in das Auto stieg, während der Beamte seine Hand schützend über ihren Kopf hielt. Marder wartete, bis das Auto aus der Straße verschwunden war, dann ging er zu seinem Wagen und fuhr nach Bad Nenndorf. Er fragte sich unterwegs, ob er jemals die Wahrheit über Volkerts Tod in Schweden erfahren würde.
Kapitel 2 2
»Das Ende der Hitzewelle ist abzusehen«, sagte die Stimme aus dem Autoradio, als Marder auf der Bundesstraße 65 unter der Autobahn hindurchfuhr, die die Grenze zwischen den Städten Barsinghausen und Bad Nenndorf bildete.
»Einen richtig heißen Tag müssen Sie noch ertragen, vor allem die Luftfeuchtigkeit wird heute Abend extrem hoch werden. Morgen Nachmittag kommen die Temperaturen
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