Über den Fluß und in die Wälder
Colonel zu dem Mädchen. «Jeder sollte es vor dem Frühstück machen.»
«Wir können ja nicht alle Infanteristen bei der Kampftruppe sein», sagte das Mädchen leise zu ihm. «Ich habe die allergrößte Hochachtung für sie und auch für gute, anständige Flieger. Bitte erzähl weiter. Ich gebe dabei auf dich acht.»
«Gute Flieger sind sehr gut und sollten als solche respektiert werden», sagte der Colonel.
Er blickte zu dem Licht an der Decke empor, und er war in der Erinnerung an den Verlust seiner Bataillone und einzelner Leute völlig verzweifelt. Er konnte niemals hoffen, je wieder ein solches Regiment zu haben. Es war nicht sein Werk gewesen. Er hatte es geerbt. Aber eine Zeitlang war es seine ganze Freude gewesen. Jetzt war jeder zweite Mann tot, und die anderen waren fast alle verwundet. Im Bauch, im Kopf, in den Füßen oder den Händen, im Hals, im Rücken, im edlen Hinterteil, in der unseligen Brust und an den anderen Stellen. Berstende Bäume trafen die Männer, wo sie im offenen Gelände niemals verwundet worden wären. Und all die Verwundeten waren auf Lebenszeit verwundet.
«Es war ein gutes Regiment», sagte er. «Man kann sogar sagen, daß es ein wunderbares Regiment war, bis ich es vernichtet habe – auf höheren Befehl.»
«Aber warum mußt du denn gehorchen, wenn du’s besser weißt?»
«In unserer Armee gehorcht man wie ein Hund», erklärte ihr der Colonel. «Man hofft immer, daß man einen guten Herrn hat.»
«Was für eine Art von Herrn hat man denn?»
«Bisher habe ich nur zwei gute gehabt. Nachdem ich einen gewissen Rang erreicht hatte, viele nette Leute, aber nur zwei gute Herren.»
«Ist das der Grund, weswegen du jetzt kein General bist? Ich hätte zu gern, wenn du ein General wärst.»
«Ich hätte es auch gern», sagte der Colonel. «Aber vielleicht nicht mit derselben Intensität wie du.»
«Würdest du bitte jetzt versuchen zu schlafen – mir zu Gefallen?»
«Ja», sagte der Colonel.
«Weißt du, ich denke, wenn du schläfst, wirst du vielleicht alles loswerden können, einfach durchs Schlafen.»
«Ja. Danke vielmals», sagte er.
Es ließ sich nichts dagegen machen, meine Herren. Alles, was ein Mann je tun kann, ist gehorchen.
32
«Du hast eine Weile ganz gut geschlafen», sagte das Mädchen sanft und zärtlich zu ihm. «Möchtest du, daß ich irgend etwas für dich tue?»
«Nichts», sagte der Colonel. «Danke.» Dann wurde er gehässig und sagte: «Tochter, ich könnte mit aufgeschlitzten Hosen und abrasiertem Haar auf dem elektrischen Stuhl einen rauf und runter schlafen. Ich schlafe, wie und wann ich es brauche.»
«Das könnte ich nie», sagte das Mädchen schläfrig. «Ich schlafe, wenn ich schläfrig bin.»
«Du bist wunderbar», sagte der Colonel zu ihr. «Und du schläfst besser, als je irgendwer vor dir geschlafen hat.»
«Darauf bilde ich mir nichts ein», sagte das Mädchen sehr schläfrig. «Es ist einfach etwas, was ich so tue.»
«Tu es bitte.»
«Nein. Erzähl mir weiter sehr leise und sanft und leg deine schlimme Hand in meine.»
«Zum Teufel mit meiner schlimmen Hand», sagte der Colonel. «Seit wann ist sie denn so schlimm?»
«Sie ist schlimm», sagte das Mädchen. «Schlimmer, als du es je wissen wirst. Bitte erzähl mir vom Krieg, ohne zu brutal zu sein.»
«Eine einfache Anweisung», sagte der Colonel. «Ich werde einige Zeit überspringen. Das Wetter ist bewölkt. Wie ist die Lage? Wir räuchern den Feind mit Artillerie und Mörsern aus. S-3 teilt mit, daß S-6 wünscht, daß Rot vor 1700 aufschließt. S-6 wünscht, daß du aufschließt und reichlich Artillerie benutzt. Weiß berichtet, daß sie in ganz guter Verfassung sind. S-6 teilt mit, daß die A-Kompanie eine Schwenkung vollführen und hinter B aufrücken wird. Die B-Kompanie wurde zuerst durch Feindaktion aufgehalten und blieb da aus freien Stücken. S-6 geht es nicht so sehr gut. Dies ist inoffiziell. Sie brauchen mehr Artillerie, aber es gibt nicht mehr Artillerie.
Du wolltest Kampf – wozu? Ich weiß nicht wozu, wirklich. Oder, ich weiß wirklich nicht wozu. Wer will wirklich kämpfen? Aber hier hast du’s übers Telefon, Tochter, und später werde ich, wenn du willst, die Geräusche und Gerüche und Anekdoten über wer, wann und wo getötet wurde, nachholen.»
«Ich will nur das hören, was du mir erzählen willst.»
«Ich werde dir erzählen, wie es war», sagte der Colonel, «und General Walter Bedell Smith weiß jetzt noch nicht, wie es war. Aber wahrscheinlich
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