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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Oberkommando zu kämpfen geplant hatte, nachdem Aachen genommen und somit eine Bresche nach Deutschland hinein geschlagen worden war. Ich hoffe, ich langweile dich nicht.»
    «Du langweilst mich nie. Nichts über den Krieg langweilt mich, außer Lügen.»
    «Du bist ein merkwürdiges Mädchen.»
    «Ja», sagte sie. «Das weiß ich schon eine ganze Weile.»
    «Würdest du wirklich gern kämpfen?»
    «Ich weiß nicht, ob ich’s könnte. Aber ich könnte es versuchen, wenn du es mir beibringen würdest.»
    «Ich werde es dir niemals beibringen. Ich werde dir nur Anekdoten erzählen.»
    «Traurige Geschichten über den Tod von Königen.»
    «Nein. Irgendwer hat sie GIs getauft. Gott, wie ich das Wort hasse, und wie es benutzt wurde. Leser von comic books. Jeder aus irgendeinem ganz bestimmten Ort. Die meisten sehr unwillig dort. Nicht alle. Aber alle lasen sie eine Zeitung, die The Stars and Stripes hieß, und man mußte seine Einheit hineinbekommen, sonst hatte man eben als Kommandeur versagt. Ich hab meistens versagt. Ich versuchte die Berichterstatter zu mögen, und bei dieser Konferenz waren ein paar ausgezeichnete anwesend. Ich will keine Namen nennen, weil ich möglicherweise ein paar besonders gute auslassen würde, und das wäre ungerecht. Es gab gute, an die ich mich nicht erinnere, und dann gab es die Drückeberger, Aufschneider, die von sich behaupteten, daß sie verwundet waren, wenn ein Granatsplitter sie auch nur streifte. Leute, die nach Jeepunfällen das Purple Heart trugen, Eingeweihte, Feiglinge, Lügner, Diebe und Telefonjäger. Ein paar Tote fehlten bei dieser Darbietung. Ja, sie hatten auch Tote. Einen hohen Prozentsatz. Aber keiner der Toten war anwesend, wie ich schon sagte. Es waren auch Frauen dabei in wunderbaren Uniformen.»
    «Aber wie konntest du nur je eine von denen heiraten?»
    «Irrtümlich, wie ich bereits früher erklärt habe.»
    «Erzähl mir weiter.»
    «Es waren mehr Landkarten in dem Raum, als selbst unser Herrgott in Höchstform hätte studieren können», fuhr der Colonel fort. «Da gab’s eine Groß-Darstellung und eine Semi-Groß-Darstellung und eine Super-Groß-Darstellung. Alle diese Leute gaben vor, sie zu verstehen – auch die Kerls mit den Demonstrierstöcken, einer Art von halbkastrierten Billardstöcken, die sie zur Erläuterung benutzten.»
    «Sag keine groben Worte. Ich weiß nicht einmal, was ‹halbkastriert› bedeutet.»
    «Auf unzulängliche Art gekürzt oder gestutzt», erklärte der Colonel. «Oder mangelhaft als Werkzeug oder im Charakter. Es ist ein altes Wort. Man könnte es wahrscheinlich im Sanskrit finden.»
    «Bitte, erzähl mir weiter.»
    «Wozu? Warum soll ich Schimpf und Schande nur mündlich verewigen?»
    «Wenn du willst, werde ich es aufschreiben. Ich kann ganz wortgetreu aufschreiben, was ich höre und denke. Ich würde natürlich Fehler machen.»
    «Du hast Glück, Mädchen, wenn du ganz wortgetreu aufschreiben kannst, was du hörst oder denkst. Aber schreib du mir niemals ein Wort von alldem hier auf.»
    Er begann von neuem. «Der Raum ist voll von Berichterstattern, die alle ihrem eigenen Geschmack gemäß gekleidet sind. Manche sind zynisch, manche sind außerordentlich eifrig bei“ der Sache.
    Wir haben eine Gruppe von Säbelraßlern dabei, um sie zu Hauf zu treiben und um die Demonstrierstöcke zu schwingen. Wir nennen einen nichtkämpfenden Mann, der in einer Uniform verkleidet – man könnte auch sagen kostümiert – herumläuft, und der jedesmal eine Erektion hat, wenn die Waffe gegen seine Hüfte schlägt, einen Säbelraßler. Nebenbei bemerkt, Tochter, mit der Waffe, nicht der alten Pistole, mit der richtigen Pistole, nicht mit dem alten Revolver, hat man wahrscheinlich im Krieg öfter sein Ziel verfehlt als mit irgendeiner anderen Waffe der Welt. Laß dir niemals eine von irgend jemand geben, wenn du nicht gerade jemand in Harry’s Bar damit den Schädel einschlagen willst.»
    «Ich hab nie jemand den Schädel einschlagen wollen, außer vielleicht Andrea.»
    «Wenn du je auf Andrea losgehst, schlag mit dem Lauf zu, nicht mit dem Kolben. Der Kolben ist furchtbar stumpf, und er trifft nicht immer, und wenn er trifft, machst du dir die Hände blutig, wenn du die Pistole wieder wegsteckst. Und außerdem, bitte, schlag Andrea nicht den Schädel ein, denn er ist mein Freund. Ich glaube auch nicht, daß er leicht zu treffen ist.»
    «Nein, das glaube ich auch nicht. Bitte erzähl mir noch mehr von der Konferenz oder der Versammlung. Ich

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