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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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ein Regiment?»
    «Wenn man sich heranarbeitet, um auf hochliegendes Gelände zu gelangen, und man weiter nichts zu tun gehabt hätte, als jemand mit einer Flagge hinüberzuschicken, und sie dann beratschlagen und sich ergeben würden, falls man recht hatte. Die Berufssoldaten sind alle sehr gescheit, und diese Krauts waren alles Berufssoldaten – nicht die Fanatiker. Das Telefon klingelt, und jemand vom Korps ruft an, der seine Befehle von der Armee oder vielleicht der Heeresgruppe oder möglicherweise sogar von SHAEF hat, weil sie den Namen der Stadt in der Zeitung gelesen haben, der zufällig von irgendeinem Korrespondenten aus Spa erwähnt worden ist, und der Befehl lautet, sie im Sturmangriff zu nehmen. Sie ist wichtig, weil was von ihr in der Zeitung gestanden hat. Man muß sie erobern.
    Also läßt man eine Kompanie tot in einer Senkung liegen. Eine Kompanie verliert man vollzählig, und man vernichtet drei weitere. Die Tanks werden zerschossen, so schnell sie sich auch bewegen, und sie konnten sich schnell vor-und rückwärts bewegen.
    Sie trafen sie, eins, zwei, drei, vier, fünf.
    Drei Männer können gewöhnlich heraus von den fünfen (die drinnen sind), und sie rennen wie Außenstürmer, die in einem aufgelockerten Feld den Anschluß verloren haben – wenn du Minnesota bist und die anderen Beloit, Wisconsin sind.
    Langweile ich dich?»
    «Nein. Ich verstehe die örtlichen Anspielungen nicht. Aber wenn du willst, kannst du sie mir erklären. Bitte, erzähl mir weiter.»
    «Du kommst in die Stadt, und irgendein geschniegelter Laffe läßt eine Luftwaffenunterstützung auf dich los. Der Befehl dafür mag gegeben und niemals widerrufen worden sein. Wir wollen von allen im Zweifelsfall das Beste annehmen. Ich erzähl dir nur, wie die Sachen im allgemeinen sich abspielen. Es ist besser, nicht auf besondere Fälle einzugehen; ein Zivilist würde es sowieso nicht verstehen. Selbst du nicht.
    Diese Unterstützung aus der Luft hilft nicht viel, Tochter, da man vielleicht nicht in der Stadt bleiben kann, weil man zuwenig Leute dort hat, und mittlerweile gräbt man sie entweder aus dem Schutt aus oder läßt sie auch drin. Hierüber gibt es zwei Meinungen. Nun kommt der Befehl, man soll sie im Sturm nehmen. Der Befehl wird wiederholt.
    Er ist von irgendeinem Politiker in Uniform erhärtet und bestätigt, der in seinem Leben noch nie getötet hat außer mit dem Mund durchs Telefon oder auf dem Papier, und der auch noch nie verwundet worden ist. Stell ihn dir vor, als was du willst. Aber stell ihn dir und seine Leute vor, als das ganze große Geschäftsetablissement so weit hinter der Front, daß die beste und schnellste Art, um mit ihnen in Verbindung zu treten, durch Brieftauben wäre. Nur würden sie sie wahrscheinlich bei den phantastischen Sicherheitsmaßnahmen für ihre eigene Person durch Flak herunterschießen lassen. Falls man sie treffen könnte.
    Also macht man’s noch mal. Nun werde ich dir erzählen, wie’s aussieht.»
    Der Colonel blickte hinauf auf das Spiel des Lichts an der Decke. Zum Teil wurde es vom Kanal zurückgeworfen. Es machte seltsame, aber regelmäßige Bewegungen, wechselnd, wie die Strömung eines Forellenbaches wechselt, aber bleibend, jedoch wechselnd mit dem Vorrücken der Sonne.
    Dann blickte er auf seine große Schönheit, mit ihrem seltsamen, dunklen, erwachsenen Kindergesicht, das sein Herz brach, die er vor 1335 verlassen würde (das war sicher), und er sagte: «Laß uns nicht vom Krieg reden, Tochter.»
    «Bitte», sagte sie. «Bitte. Dann habe ich es diese ganze Woche.»
    «Das ist ein mildes Urteil. Ich benutze das Wort Urteil im Sinn von Straf urteil.»
    «Du weißt nicht, wie lang eine Woche sein kann, wenn man neunzehn ist.»
    «Ich habe mehrere Male erfahren, wie lange eine Stunde sein kann», sagte der Colonel. «Ich könnte dir erzählen, wie lange zwei und eine halbe Minute sein können.»
    «Bitte, erzähl’s mir.»
    «Nun, ich hatte zwei Tage Urlaub in Paris zwischen den Kämpfen in der Schnee-Eifel und dem hier, und dank meiner Freundschaft mit ein oder zwei Leuten hatte ich das Privileg, einer Art Konferenz beizuwohnen, wo nur die Bevollmächtigten und Vertrauenswürdigsten zugegen waren, und General Walter Bedell Smith erklärte uns allen, wie einfach die Unternehmung, die später den Namen Hürtgenwald trug, sein würde. Es war nicht eigentlich Hürtgenwald. Das war nur ein kleiner Abschnitt. Es war der Reichswald, und es war genau dort, wo das deutsche

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