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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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kann. Violet, die von einem
riesigen Tischtuch verborgen wird, gibt ein sehnsüchtiges Seufzen von sich – und dann ein Quietschen. Moira hat ihre Schuhspitze unter den Tisch schnellen lassen und dabei gut hörbar ihr Ziel getroffen. Vice merkt nichts. Er ist zu beschäftigt damit, Tanja die Hand zu küssen. Das scheint auch ihre Begeisterung für diesen Abend ein wenig abflauen zu lassen. Juli schaut immer noch fassungslos auf ihre bereits geküsste Hand. Ich knuffe sie warnend in die Seite und sie lässt die Hand sinken. Wir setzen uns. Teresa kommt noch einmal herein, um das elektrische Licht zu löschen. Nachdem sie für romantisches Kerzenlicht gesorgt hat, ist endlich Vices große Stunde gekommen. »Wie schön, meine Damen, dass wir uns kennenlernen dürfen, auch wenn es gar finstere Umstände, Blut und Mord sind, die uns zusammengeführt haben.«
    Er blickt Moira tief in die Augen. Moira lacht wieder mädchenhaft und legt ihm wie aus Versehen die Hand auf den Unterarm. »Ach, ich liebe Abenteuer. Und uns geht es ja heute auch viel besser als der armen Barbara, wenn sie es denn ist, die uns nachts nicht schlafen lässt.«
    »Auf jeden Fall habe ich, als ich in dem Bett lag, eindeutige Schwingungen empfangen. Irgendetwas ist in diesem Haus. Wir müssen nur noch rausfinden, ob es das ist, was Sie glauben, meine Damen. Ich bin Wissenschaftler und weiß nur zu gut, dass sich hinter Spuk oft nichts weiter verbirgt als morsches Gebälk oder defekte Rohre. Und manches Mal hat man versucht, mich zu betrügen.«
    Zum Glück bringt Teresa in diesem Moment ihren wunderbar duftenden Braten. So fällt gar nicht auf, dass die charmante Weiblichkeit am Tisch vollständig in betretenes Schweigen verfällt.

    »Ach ja?«, sagt Moira schließlich, »unfassbar, dass das jemand wagt. Wo Sie doch die weltweit anerkannteste Koryphäe auf diesem Gebiet sind.«
    Vice lächelt ohne jedes Misstrauen, während Teresa uns allen – und Vice besonders großzügig – Rotwein einschenkt.
    Unterm Tisch wird ein beleidigtes Hüsteln laut. Schnell simuliere ich einen Hustenanfall, um das verräterische Geräusch zu überdecken, und reiche mein Glas unter den Tisch. Unverzüglich erhalte ich es halb leer zurück.
    Hoffentlich wird unser Geist nicht noch eine Spur zu lebendig.
    »Nun ja, einen echten Betrug haben nur wenige, wirklich Verzweifelte gewagt. In einem Schloss – ich nenne hier keine Namen – war einmal lautstarkes Wehklagen und Seufzen zu hören. Fast wäre ich darauf reingefallen, soviel Verzweiflung lag in der weiblichen Stimme. Es stellte sich heraus, dass es die Tochter des Hauses war, die sich unsterblich in mich verliebt hatte. Sie hat diesen Trick angewandt, um mich ins Haus zu locken. Aber ich bin ihr auf die Schliche gekommen.«
    »So? Wie das denn?« Moira neigt sich vor und sieht ihn gebannt an.
    »Sie ...«, er räuspert sich. »Soll ich wirklich? Es sind ja auch junge Frauen anwesend.«
    O nein. Ich muss jeden Blickkontakt mit Juli und Tanja vermeiden. Ich zittere innerlich vor unterdrücktem Lachen.
    »Ja bitte. Diese Mädchen vertragen einiges«, sagt Moira mit verführerischem Lächeln – ganz die abgebrühte Kupplerin mit ihrer fleischlichen Ware.
    »Nun ja, eines Nachts bin ich dem Seufzen gefolgt und dort lag das Mädchen ganz und gar unbekleidet. Es wälzte
sich in seinem Bett hin und her, als sei es wahrhaftig besessen. Selbstverständlich habe ich sie nicht angerührt.« Die Mischung aus wollüstigen Bedauern und vorgetäuschter Integrität ist erbärmlich.
    Ich stopfe mir hastig den ganzen Mund voll Rinderbraten.
    »Selbstverständlich nicht«, sagt Moira.
    Beim Prusten fällt ein Fleischstück aus meinem Mund. Im gleichen Moment bohren sich Julis Fingernägel schmerzhaft in mein Fleisch. Sie zittert in der ganzen Bauchgegend und kann sich offenbar selbst kaum ein Lachen verkneifen.
    »Na, na, Kleines, wo sind denn deine Manieren hin«, sagt Moira in ihrem gouvernantenhaftesten Ton zu mir. Dieses Miststück. Ich muss schon wieder innerlich grinsen.
    »Ich habe mir so furchtbar die Zunge verbrannt, Tante Moira.«
    Vice schöpft zum Glück immer noch keinen Verdacht, sondern unterhält uns noch eine ganze Weile mit Erfolgsgeschichten, Tratsch über Adelshäuser und die vielen Prominenten, die sich im Verlauf seiner »Karriere« um ihn gerissen haben. Er ist ein so aufgeblasener Wichtigtuer, dass ich mich kaum noch beherrschen kann. Am liebsten würde ich ihn anfauchen: »Und was war nun eigentlich mit der

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