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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Sekretärin flachlegt. Nun weiß ich es besser und kann mich wappnen.
    »Ich habe eine Idee«, sagt Violet. »Wir leihen uns tatsächlich eine Nebelmaschine. Murphy kennt doch sicher jemanden, der so etwas hat. Wir vernebeln die Treppe und ich laufe im weißen Kleid da durch. Ihr müsst den guten Charlie nur ein wenig abfüllen. Dann bleibe ich in angemessener Entfernung vom Tisch stehen und beantworte seine Fragen. «
    Sehnsüchtig blickt sie aus dem Fenster in die Weite. »Dann sehe ich ihn zumindest mal.«
    »Aber habt ihr nicht gesagt, dass die Augen bei einer Séance geschlossen sind? Wozu dann der Nebel und der Auftritt? «, frage ich.
    Violet sieht enttäuscht aus.
    »Entschuldigung, ich dachte ja nur ...«, schiebe ich vorsichtig hinterher.
    »Nein, du hast Recht, Louisa.« Moira denkt angestrengt nach. »Es muss bei der Séance unbedingt deine Stimme zu hören sein. Und sie darf nicht zu natürlich klingen. Wir können aber kein Walkie-Talkie oder so nehmen, das Rauschen erkennt man sofort.«
    »Ich hab’s!«, ruft Violet erfreut. »Ich setze mich einfach unter den Esstisch und spreche laut durch ein Taschentuch.«
    Zweifelnd sehen wir einander an.
    »Na, wenn einer von euch eine bessere Idee hat ...« Violet lehnt sich zurück und verschränkt ein wenig beleidigt die Arme.

    »Nein, haben wir nicht. Was meint ihr? So viele Alternativen gibt es nicht. Wir müssen nur aufpassen, dass er genug trinkt.«
    Violet sieht zufrieden aus. »Ach, wie gerne wäre ich dabei ... Macht euch schön hübsch, ja? Eine richtig altmodische Séance.«
    Wirklich schade eigentlich, dass die Einzige von uns, die echte Freude daran hätte, nicht dabei sein kann. In was sind wir da nur wieder reingeraten?
    »Das wird ziemlich spannend! Und du bist doch quasi dabei. Was du nicht mitbekommst, erzählen wir dir hinterher detailliert.« Ich korrigiere: Tanja ist offenbar fast so begeistert wie Violet. Und auch Juli kichert verzückt. Ich fange Moiras Blick auf und sie zwinkert mir schnell zu. Dankbar lächele ich zurück. Solange sie dabei ist, wird schon alles gut gehen.
    »Aber da könnt ihr nicht in euren normalen Klamotten hingehen. Ich leihe euch Kleider von mir. Richtig schöne fließende Roben in echten Farben – wie damals.«
    Keiner wagt, Violet den Wunsch abzuschlagen. Genaugenommen sind wir wohl alle sogar recht angetan von der Idee, ein paar ihrer unglaublichen Kleider tragen zu dürfen.
    Während Vice immer noch seinen meditativen Schlaf hält, starten wir ein paar Feldversuche mit Violet und ihrem Taschentuch. Kein Mensch, der seine Sinne halbwegs beisammen hat, würde auf uns reinfallen. Aber, hey, Vice wollte eine Ziege in einen Mann verwandeln. Wir machen ja nur aus einer Frau ein Gespenst. Es muss einfach funktionieren, und König Alkohol wird hoffentlich seinen Beitrag leisten.

    Am Abend versammeln wir uns in wehenden, pastellfarbenen Kleidern, wie aus einem 30er-Jahre-Film, kichernd am Tisch. Wir trinken schon mal ein kleines Gläschen Wein, um uns Mut zu machen. Ich blicke in die Runde: Selbst wenn es kolossal schieflaufen sollte, werden wir zumindest fantastisch dabei aussehen.
    »Reich mir auch eins runter«, verlangt Violet, die schon ihren Platz unterm Tisch eingenommen hat, weil Vice jeden Augenblick kommen kann. Damit auch alles stilecht wirkt, mimt Teresa die klassische Köchin – diesmal tatsächlich im steifen grauen Kostüm – und hat einen wunderbar duftenden Rinderbraten zubereitet. Der Duft scheint auch unseren Helden der Stunde angelockt zu haben. Im schwarzen Smoking schreitet er die Treppe runter. Juli hatte Recht: Ihm fehlt nur der blutrote Umhang und er wäre Graf Dracula – nur ein wenig älter. Ich schätze ihn auf etwa 80. Moira wirbelt auf ihn zu. Sie ist nicht wiederzuerkennen: Sie flirtet, kokettiert und lächelt süß. Dracula küsst ihr die Hand.
    »Kneif mich«, raune ich Juli zu.
    »Nein, wieso denn. Das ist einfach zu schön.« Juli kichert.
    Moira hakt ihn unter und geleitet ihn zu seinem Platz.
    Wir stehen alle auf, weil er ganz offensichtlich wild entschlossen ist, jeder Frau am Tisch einen Handkuss zu verpassen. Doch er haucht die Küsse nicht galant auf unsere zarten Handrücken, sondern drückt die Lippen fest darauf. Ich folge Moiras Beispiel und kichere albern, obwohl ich mir viel lieber die Serviette krallen würde, um die warme Spucke abzuwischen. Seine genussvollen Schmatzer sind nicht nur sehr feucht, sondern auch so laut, dass man sie bis unter den Tisch vernehmen

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