Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
hängenzubleiben. Hmpf! Wie macht dieser Schwerenöter das? Wir waren doch vor kurzem noch Leidensgenossen. Und er war mit meiner Mutter ungefähr 30 Jahre länger zusammen als ich mit Martin. Wieso ist sein Weltbild nicht noch viel erschütterter als meins? Wie kann er sich so fröhlich mit Juchheißa, Tirili und Trallala in die nächste Beziehung stürzen? Gut, er hätte echt eine schlechtere Wahl treffen können, denke ich, als ich zu Teresa blicke. Ihre Augen glänzen gerührt und glücklich. Ich schaue jetzt lieber nicht zu Colin. Sonst werfe ich mich doch noch in seine Arme und sage etwas Rührseliges, das ich dann nüchtern und bei Tageslicht bereuen werde. Nachdem der Wettbewerb eindeutig zugunsten der irischen Front ausgegangen ist und die
Verlierer den Gewinnern einen Whiskey ausgegeben haben, verabschieden wir uns und gehen müde wieder zum Cottage. Wir lassen Colin zurück, der noch ein wenig im Pub bleiben wollte und sich mit Seamus gerade über irgendeine Anekdote schlapp lacht. Er fehlt mir schon, kurz nachdem ich ihm beim Rausgehen über die Schulter den letzten Blick zugeworfen habe.
Am nächsten Vormittag bleibt zum Glück keine Zeit für Albernheiten. Peter, Tanja, Juli und ich schnippeln aufgeregt Fisch, Gemüse und Kartoffeln und bereiten uns so auf die hungrige Menschenmenge vor, die mittags einfallen will. Unser kleiner Härtetest will schließlich bestanden werden, vor allem nach der Blöße, die wir uns am Abend zuvor gegeben haben. Colin stößt erst nach einer Weile zu uns, an seiner Seite Teresa und mein Vater. Die beiden Turteltauben halten öffentlich Händchen. Beinahe ungehemmt, wäre da nicht dieser kurze, verlegene Blick, den mein Vater mir zuwirft. Und auch um Teresas Mund liegt eine leichte Anspannung. Mein Vater hätte mich wirklich vorwarnen können, dass es so ernst ist. Anderseits ist er ja noch nie ein Mann großer Worte gewesen. Außerdem möchte ich mir das Gespräch nicht einmal vorstellen, das wir geführt hätten. Und dass meine Eltern jemals wieder zusammenkommen, habe ich eigentlich schon abgeschrieben, seit ich gesehen habe, wie viel lebensfroher mein Vater hier agiert. Ich gebe den beiden also meinen Segen und werfe ihnen einen Handkuss zu. Erleichtert lächeln sie. Colin lächelt auch, aber aus einem anderen Grund. Er hält die Zeitung in der Hand und
deutet auf einen Artikel samt Foto, auf dem Charlie Vice vor dem Schloss steht. Schlagzeile: »Ja, ich bin zurück! Ja, es war ein Geist!«
Wir jubeln und juchzen. Die nächste Schlagzeile soll bitte werden: »Spukhotel frisch eröffnet. Besuchen Sie auch die Ausstellung der unheimlichen Art!« Juchhu, alles wird gut!
»Aber wieso bist du überhaupt noch da? Das Wochenende ist doch vorbei?«, frage ich Colin.
»Ich habe heute keine Veranstaltung, und lesen kann ich auch hier«, erklärt Colin. »Ich wollte unbedingt dabei sein, wenn es losgeht. Sozusagen stellvertretend für meine Familie. «
Betroffen sehe ich ihn an. Es stimmt. Es ist so traurig, dass die anderen drei jetzt in der blöden Klinik sitzen müssen, statt mit uns bei diesem strahlenden Sonnenschein die Frittenbude einzuweihen.
Als die ersten Besucher kommen, wischen wir uns schnell mit ein paar Handtüchern den Schweiß aus den Gesichtern. Man soll uns schließlich nicht gleich ansehen, wie sehr wir uns gerade eben noch abgerackert haben. Unsere charmanten Gäste tragen immer noch ihr Siegeslächeln von gestern im Gesicht und raunen sich gegenseitig – so, dass wir es auf jeden Fall hören können – zu: »Don’t mention the war!«
Ich weiß jetzt auch nicht so genau, welche Schlacht sie meinen, aber ich muss trotzdem lachen. Jeder Ankömmling bekommt von uns ein kleines Bier und eine Auswahl unseres Angebots auf einem kleinen Teller serviert. Wer mehr will, muss zahlen, sie haben uns schon genug bluten lassen. Wir servieren an langen Bierzelttischen vor der Hütte, weil das Wetter so schön ist. Gierig machen sich unsere ersten,
wenngleich noch nicht zahlenden Kunden über Fisch, Fritten, Gemüse-Pakoras und die kleinen Desserts her: gebackene Bananen. Dazu frittierte Schokoriegel mit Vanillesoße. Eine geniale Kreation. Wir sind ziemlich stolz drauf, dass wir den Dreh mit dem Schokozeug endlich raushaben. Da die Riegel im gleichen Fett wie der Fisch gegart werden und die ganze Plörre schnell überhitzt, kann es passieren, dass die Riegel schmelzen und so das Fett für die anderen Speisen ruinieren. Man muss sie also vorher einfrieren. Aber
Weitere Kostenlose Bücher