Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
zu gewöhnen. Mein hilfesuchend umherirrender Blick trifft den meines Vaters. Er zwinkert mir doch tatsächlich zu und reckt wohlwollend den Daumen in die Luft. Gott, ist das peinlich.
Hoffentlich hat Colin das nicht gesehen. Verlegen löse ich mich ein wenig von ihm.
»Sollten wir nicht die anderen unterstützen?«, frage ich. Unsere Freunde quatschen gerade auf die Besucher ein, um sie für den nächsten Tag in die Bude zu locken. Dann geht Tanja zu den Musikern, flüstert ihnen etwas zu und schon hat sich Teresa das Mikrofon gegriffen. »Wir freuen uns, dass so viele von euch morgen kommen wollen. Und nun haben wir noch eine Herausforderung für euch in petto. Wir werden bald einen Sängerwettstreit veranstalten, bei dem Menschen aus ganz Irland teilnehmen dürfen. Und natürlich würden wir gerne sehen, dass einer von hier gewinnt. Weil nur eine begrenzte Anzahl teilnehmen kann, muss es eine Vorauswahl geben. Wie wäre es gleich hier? Wer hat Lust zu zeigen, was er kann?«
Tanja steht plötzlich neben mir. »Ich habe Teresa gebeten, die Ansprache zu übernehmen, weil sie von hier ist. Würde vielleicht für Befremden sorgen, wenn eine Touristin aus Deutschland entscheidet, wer bei einem irischen Sängerwettstreit mitmachen darf.« Sie zwinkert mir zu. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sie sich darum hätte Sorgen machen müssen.
»Wie wäre es, wenn wir das zur Übung auch schon als Wettstreit aufziehen? Deutsche gegen Iren.« Herausfordernd schaut Seamus in die Runde.
Im Pub wird ein begeistertes Grölen laut, in dem schon die ganze Vorfreude auf unsere Niederlage mitschwingt. Oh, nein. Bitte nicht. Ich treffe doch keinen einzigen Ton! Kneifen können wir allerdings auch nicht. Vielleicht könnte ich mich auf der Damentoilette verstecken?
»Das ist Krieg, Louisa. Tut mir leid! Aber ich muss nun
meiner Nation zu Hilfe eilen.« Colin grinst breit und lässt uns einfach stehen.
Und schon geht es los. Ian kann nicht nur hervorragend Banjo spielen, sondern genauso gut singen. Er kommt bei seinem Lied ganz ohne Instrumente aus und besingt rührend grüne Wiesen und eine verlorene Geliebte. Auf unserer Seite opfert sich Tanja als Erste. Damit wir nicht im Nachteil sind, haben uns unsere Gegner gestattet, dass wir Lieder singen dürfen, die wir gut kennen – auch wenn sie nicht hundertprozentig irisch sind. Ich höre Tanja nun zum zweiten Mal »Fourty Shades Of Green« singen und bin schon wieder hingerissen. Nach den ersten zwei Takten ist es still im Raum. Damit hätte niemand gerechnet. Die Meute ist gebannt und Peter und ich sind vor Stolz ganz aus dem Häuschen. Etwas weniger wortgewandt als sonst schlägt er sich auf die Brust und ruft immer wieder, »Unsere Freundin ist das da«.
»Das wissen doch alle. Halt die Klappe«, faucht Juli irgendwann entnervt.
Tanjas Auftritt verhindert, dass wir vollends in Schande versinken. Die anwesenden Iren haben nämlich offenbar die Sangeskunst mit der Muttermilch aufgesogen, während ihre deutschen Gegner danach nur noch eine erbarmungswürdige Vorstellung nach der anderen abgeben. Ich quäle mich krähend und mit rotem Kopf durch »Whiskey In The Jar«, Juli geht es mit »Danny Boy« nicht wesentlich besser. Als wir es überstanden haben, fallen wir uns am Tresen verzweifelt um den Hals. Körperlich und seelisch so am Rande waren wir nicht mal nach drei Runden Katapult-Achterbahn im Freizeitpark letzten Sommer. Und die hat immerhin von 0 auf 140 Stundenkilometer beschleunigt. Murphy
spendiert uns zwei prall gefüllte Whiskeygläser. »Für die miesesten Sängerinnen, die ich je in meinem Pub gesehen habe.«
Wir trinken sie hastig auf Ex – und bekommen dafür doch noch unfreiwillig den Applaus der Menge, der zu unseren Darbietungen eher sparsam ausgefallen ist.
Ha! Ein Ire singt weniger gut als alle anderen, dafür aber umso inbrünstiger: Colin. Er stellt es geschickt an und macht aus seinem Auftritt eine so gekonnte Slapsticknummer, dass alle lachen. Dagegen versagen Teresa auf irischer und Peter auf deutscher Seite ebenso niederschmetternd und witzlos wie Juli und ich. Eine kleine Überraschung birgt der Auftritt meines Vaters. Er hat zwar keine übermäßig kräftige, aber dafür eine sehr angenehme Stimme. Er singt ein sentimentales Lied, das ich nicht kenne. Es geht mal wieder um grüne Wiesen und eine Frau, die sein ganzes Dasein erfüllt. Sein Blick schweift kurz zu mir – gerührt spüre ich, wie Tränen in meine Augen steigen –, um dann an Teresa
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