Ueber den Himmel hinaus - Roman
dass dieses zu groß geratene Kind mit seinem stümperhaften Auftreten so einflussreich und begütert war. Sie lächelte gnädig und nippte an ihrem Wein. »Wie kommt es eigentlich, dass jemand aus der alternativen Filmszene ein so großes Budget zur Verfügung hat?«
»Ich habe mit einundzwanzig eine Firma geerbt. Wir sind der größte Hersteller von Bergbaumaschinen in England«, gestand er ihr. »Ich war nie sonderlich an Bergbaumaschinen interessiert. Ich wollte Science-Fiction-Filme drehen.«
Sie schob ihren Teller von sich und warf ihr Haar über die Schulter zurück. »Bis wann kann ich mit dem Vertragsentwurf
rechnen?«, fragte sie. Und wann würde er endlich mit konkreten Zahlen herausrücken? Es war durchaus möglich, dass er nur große Worte machte oder sie mit einer fünfstelligen Summe abspeisen wollte. Wenn sie eine fünfstellige Gage haben wollte, konnte sie gleich wieder einen Werbespot in Schweden drehen.
»Ich werde mich noch heute Nachmittag darum kümmern. Aber … Ich möchte Sie mit meinem Angebot nicht beleidigen.«
Ihre Hoffnung schwand. Er würde ihr eine Gewinnbeteiligung vorschlagen und ihr einen Betrag anbieten, der nicht viel höher war als ihre wöchentliche Gage bei Lonely Shores .
»Ähm, würden Sie mir vielleicht verraten…« - er räusperte sich - »… ob eine Million Pfund ausreicht?«
Natalja hatte es die Sprache verschlagen.
»Das bedeutet dann wohl nein, wie?«, fragte er bekümmert. »Ich habe bisher leider mit keinen richtig großen Stars zusammengearbeitet, also …«
»Wäre das im Voraus?«, fragte Natalja.
»Am ersten Drehtag. Wir fangen am ersten Juli an. Die Dreharbeiten werden zwölf Wochen dauern.«
»Okay«, platzte sie heraus und bereute es sogleich. Sie lächelte und räkelte sich mit gespielter Trägheit. »Abgemacht. Ich freue mich schon auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Arnold.«
Über Weihnachten schickte Sofi ihre Angestellten immer vier Wochen in Urlaub. Umso mehr freute sie sich darauf, wenn sie Mitte Januar ihre Arbeit wieder aufnahmen. Dann fand sie sich als Erste in der Werkstatt ein, die sich nun über zwei Etagen erstreckte, um Heizung, Licht und
Radio einzuschalten, Milch in den Kühlschrank zu stellen und die Kaffeemühle mit frischen Bohnen zu füllen. Anschließend ging sie von Tisch zu Tisch, um jedes einzelne der halbfertigen Stücke zu inspizieren. An den Wänden hingen ihre Entwürfe, blauer Buntstift auf elfenbeinweißem Papier.
Sofi legte großen Wert darauf, dass sich ihre Belegschaft wohlfühlte, und hatte nichts dagegen, wenn sie mit einer Tasse Kaffee zwischen den Tischen umherwanderten, einander zuweilen bei der Arbeit zur Hand gingen und dabei ungezwungen über Privatangelegenheiten plauderten. Sie selbst hatte ein kleines Büro in der oberen Etage, in dem sie Papierkram erledigte oder Entwürfe zeichnete, aber oft starrte sie dort auch bloß aus dem Fenster auf die verblassten jahrhundertealten Häuser und beobachtete die Leute. In Richelieu hatte es niemand eilig. Sofi liebte das Leben hier. Seit sie Francette immer mehr Verantwortung übertragen hatte, fühlte sie sich wieder freier. Francette war ehrgeizig. Neuerdings hatte sie zwei New Yorker Kaufhausketten an der Angel, doch Sofi scheute noch davor zurück, mit ihrem Unternehmen den Atlantik zu überqueren. Sie fürchtete, die Kontrolle über die Qualität ihrer Erzeugnisse zu verlieren, wenn ihre Firma noch weiter expandierte.
Gabriel, ein schlaksiger und eindeutig homosexueller Teenager, der letzte Hand an viele Schmuckstücke legte und sie mit Verschlüssen versah, erkundigte sich nach ihrem Urlaub. Sie erzählte ihm von Briggsby, ihren Cousinen, den langen Spaziergängen an den Klippen, vom grauen Ozean. Es klang richtig idyllisch, wenn sie nicht erwähnte, wie angespannt Lena war, seit sie ihrem Mann verheimlichte, dass sie ein Haus besaß. Oder wie Natalja ständig damit
geprahlt hatte, mit einem Blockbuster eine Million Pfund verdient zu haben.
Als sie einmal kurz unter sich gewesen waren, hatte Sofi ihre Cousine wegen Viktors Anruf zur Rede gestellt. Natalja hatte sie mit Tränen in den Augen um Verzeihung gebeten.
»Ich hätte ihm damals nicht viel geben können«, sagte sie. »Aber ich wusste, dass dir Lena genauso viel bedeutet wie mir. Ich hoffe, du hast ihm nicht zu viel Geld geschickt.«
»Er hat gar nichts von mir bekommen.«
Natalja riss die Augen auf. »Was?«
»Auf eine Erpressung darf man niemals eingehen. Ich war mir sicher, dass er Lena
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