Ueber den Himmel hinaus - Roman
Gabel.
»Ich weiß, wo Natalja ist.«
»Du? Was?«
»Wir reden, sobald die Kinder aus dem Haus sind.«
»Nein, ich will es jetzt wissen. Du jagst mir Angst ein.« Eine düstere Vorahnung befiel Lena. Sie ging zur Tür und spähte ins Wohnzimmer. Matthew sah fern, Anna zog ein Jojo hinter sich her, als wäre es ein Hund an der Leine. Lena kehrte in die Küche zurück. »Jetzt, Sam!«, zischte sie.
Sam schloss ergeben die Augen. Er sah aus, als wollte er sterben. Lenas Herz gefror zu Eis. Er musste es nicht aussprechen. Sie wusste es.
»Nein, Sam, nein«, murmelte sie mit Tränen in den Augen.
»Es tut mir leid«, hauchte er. »Es war ein einmaliger Ausrutscher, und es war eine Katastrophe.«
Lena sank in sich zusammen. Ihre Arme, ihre Beine, ihre Brust fühlten sich an, als wären sie aus Blei. Es war geschehen, genau wie sie es immer befürchtet hatte, aber die Unvermeidlichkeit machte es nicht weniger schmerzhaft. Jede Hoffnung, sich mit Sam zu versöhnen, die Nähe, die Zärtlichkeit zwischen ihnen wiederaufleben zu lassen, war dahin. Und selbst wenn sie wieder zusammenfänden, würde sie ihm nie wieder vertrauen können.
»Lena, ich will, dass wir zusammenbleiben. Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht.« Jetzt weinte er, und Lena hatte doch tatsächlich auch noch Mitleid mit ihm. »Kannst du mir verzeihen? Vielleicht habe ich es ja aus Rache getan, weil ich mich von dir hintergangen gefühlt habe. Aber es war ein Fehler. Ich bin ein Idiot. Kannst du mir verzeihen?«
»Du willst doch nicht etwa behaupten, dass ich dir die Sache mit dem Haus verschwiegen habe, wäre genauso schlimm wie die Tatsache, dass du mit meiner Schwester
geschlafen hast?«, stieß sie wutentbrannt hervor. Zu laut. Die Kinder würden es hören.
»Ich …« Sam wirkte fassungslos.
Sie musste den Blick abwenden. Sie wollte nicht, dass er ihr leidtat, nicht jetzt.
»Beides war Verrat«, würgte er hervor. »Geheimnisse …«
»Du hast mich betrogen, und zwar nicht mit irgendeiner Frau, sondern mit Natalja!«
»Aber es bedeutet nichts. Es war …«
»Es bedeutet alles ! Es bedeutet, dass selbst du sie schöner findest als mich.« Lena begann zu schluchzen.
Matthew stand unschlüssig in der Küchentür. »Mum? Dad?«
»Es ist alles okay.« Sam bedeutete ihm, wieder zu gehen.
»Aber Mum weint«, sagte Matthew.
»Raus!«, schrie Sam.
»Hör gefälligst auf, ihn anzubrüllen!« Lena ging zu Matthew und nahm ihn in die Arme. »Du bist hier derjenige, der es verdient, angebrüllt zu werden, du Schwein! Du Schwein !« Ihr blindwütiger Zorn jagte Lena Angst ein. Sie hatte sich nicht unter Kontrolle. »Verstehst du denn nicht? Du hast alles kaputt gemacht! Was du getan hast, ist unverzeihlich!«
Anna verfolgte die Auseinandersetzung mit riesigen Augen.
Sam öffnete den Mund, doch Lena kam ihm zuvor. »Du musst gehen!«
»Mum, nein«, sagte Anna. »Daddy, geh nicht.« Matthew weinte.
Um ein Haar hätte sich Lena umstimmen lassen. Um ein Haar.
»Ich sagte, du sollst gehen.« Sie zwang sich, ihrer Hysterie
Herr zu werden und mit ruhiger, gedämpfter Stimme zu sprechen. »Unsere Ehe ist beendet.«
»Sofi?«, tönte es kläglich aus dem Hörer.
»Lena? Ist alles in Ordnung? Du klingst verweint.« Sofi setzte sich mit dem Telefon auf das Sofa im Wohnzimmer.
»Sam hat mit Natalja geschlafen«, sagte Lena. »Ich habe ihn rausgeworfen.«
Die Neuigkeit traf Sofi wie ein Schlag. »Das darf doch nicht wahr sein. Wie konnte er nur? Wie konnte sie nur?« Das war das Grausamste, das die beiden Lena hatten antun können, und sie würde die Schuld dafür zweifellos bei sich suchen. Sie würde zu dem Schluss kommen, dass Sam fremdgegangen war, weil sie es eben nicht wert war, von ihm geliebt zu werden.
»Hast du etwas von Natalja gehört?«, wollte Lena wissen. »Nein.« Ihre Schwester war wohl untergetaucht, weil sie sich schämte.
»Bei mir wird sie sich sicher nicht melden, aber dich wird sie irgendwann anrufen; sie soll ja dieses Jahr unser Treffen ausrichten. Sag ihr, dass ich eher Rattengift schlucken würde, als zu kommen.«
»Lena, nimm dir ein paar Wochen frei und komm mit den Zwillingen zu mir nach Frankreich.«
»Geht nicht, die Kinder müssen in die Schule, und ich würde meine Stelle verlieren. Ich werde einfach meine Nachbarin um Hilfe bitten. Es wird schon gehen. Es muss.«
»Versprich mir, dass du dein Haus nicht verkaufst«, bat Sofi. »Wenn es hart auf hart kommt, rufst du mich an, ja?«
»Mach ich«, sagte Lena
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