Ueber den Himmel hinaus - Roman
verloren. Man war nicht begeistert gewesen, als in seinem Schuppen hinter den Elektrogeräten eine Flasche Wodka zum Vorschein gekommen war. Er hatte behauptet, sie gehöre ihm nicht, aber seine Fahne dürfte ihn verraten haben. So lief das jedes Mal.
»Hallo?«, sagte er bewusst abweisend.
»Viktor Tschernow?«, sagte eine unbekannte Männerstimme auf Russisch.
»Ja.«
»Ich habe Ihre Nummer aus dem Telefonbuch.« Sehr, sehr schlechtes Russisch. »Ich hoffe, Sie können helfen.«
»Sind Sie Engländer?«, fragte Viktor auf Englisch. Er hatte lange kein Englisch geredet, aber es war immer noch besser als das Anfängerrussisch des Anrufers.
»Oh, Sie sprechen Englisch? Das ist gut. Hören Sie, ich bin auf der Suche nach Natalja, Lena oder Sofi Tschernowa. Sagt Ihnen einer dieser Namen etwas?«
»Was wollen Sie von ihnen?«
»Wir sind alte Freunde.«
»Lena und Natalja sind meine Töchter, und Sofi ist meine Nichte.«
»Haben Sie Telefonnummern oder Adressen von ihnen?«
Viktor zögerte. Warum sollte er diesem Fremden glauben, dass er mit den Mädchen befreundet war? Er schwieg so lange, bis der Anrufer sagte: »Ich bin bereit, Sie dafür zu bezahlen.«
»Für Telefonnummern und Adressen?«, hakte Viktor nach. Er bemühte sich um einen gelassenen Tonfall, obwohl sein Herz höherschlug.
»Ja.«
»Zahlen Sie gut? Zehntausend Dollar.«
»Ich … Nein. Ich gebe Ihnen fünftausend.«
»Zehn.«
»Dann auf Wiederhören, Mr. …«
»Also gut, fünftausend.« Viktor hätte sich am liebsten geohrfeigt, er hätte nicht klein beigeben sollen. »Sie schicken mir Geld, und wenn da ist, rufen Sie wieder an, und ich sage Ihnen Adressen.«
»Ich zahle Ihnen die erste Hälfte, wenn Sie mir die Adressen nennen, und die zweite, wenn ich mich davon überzeugt habe, dass sie auch wirklich dort leben.«
Viktor konnte nicht fassen, dass jemand bereit war, so viel Geld für drei Adressen zu zahlen. Dieser Mann musste wirklich dringend auf der Suche nach den Mädchen sein. »Okay, abgemacht.«
»Gut, Mr. Tschernow. Wohin soll ich den Scheck schicken?«
Viktor nannte ihm seine Adresse und notierte sich dann seinerseits die Telefonnummer des Mannes, aus Angst, er könnte seine Meinung ändern. Wenn er nichts mehr von ihm hörte, würde er ihn in zwei Wochen anrufen.
»Und Sie heißen?«, fragte er.
»Creedy«, sagte der Mann. »Roy Creedy.«
Natalja hatte sich auf einen idyllischen Tag mit Maxim gefreut. Sie hatten ein Picknick im Park auf der Kamenny-Insel geplant. Aprilsonne, frisches Grün an den Linden, die grasbewachsenen Böschungen des stillen Krestowka-Kanals
… Allerdings hatte Maxim nicht erwähnt, dass ihnen seine beiden Töchter Gesellschaft leisten würden.
Katria war neun, Varinka sechs, und die beiden hatten auch nicht damit gerechnet, dass Natalja mit von der Partie sein würde. Ihre Irritation war also durchaus nachvollziehbar.
»Hierher, Katria, wir legen die Decke unter diesen Baum«, befahl Maxim. Er kommandierte seine Töchter genauso herum wie die Schauspieler am Set.
Katria breitete folgsam die Decke aus. Varinka versuchte, ihr zu helfen, stand ihr dabei aber bloß im Weg. Während des daraus entstehenden Disputs klingelte Maxims Handy, und er entfernte sich einige Meter, um zu telefonieren.
Natalja hatte das Gefühl, intervenieren zu müssen. »Hört auf zu streiten, Kinder. Wir schütteln die Decke einfach noch einmal aus.«
»Du bist nicht meine Mama«, sagte Katria trotzig. Sogleich streckte Varinka die kleine Nase in die Luft und fügte hinzu: »Und meine Mama bist du auch nicht.«
Dann spielten die beiden, durch den gemeinsamen Feind wieder geeint, ein kleines Spiel, während sie einen Behälter nach dem anderen aus dem Picknickkorb holten und nebeneinander auf die Decke stellten: »Diese Salzgurken sind nicht meine Mama, dieser Käse ist nicht meine Mama, diese Verniki sind nicht meine Mama …« Dabei warfen sie Natalja verschlagene Blicke zu. Natalja tat, als würde sie es gar nicht hören. Sie ließ die Tasche auf den Boden fallen und setzte sich. Als sich Maxim wieder zu ihnen gesellte, verstummten die Mädchen augenblicklich.
»Alles in Ordnung, Liebling?«, erkundigte sich Natalja, während er Platz nahm.
Er klappte sein Handy zu. »Natalja, würdest du nächsten Monat gern an die französische Riviera fahren?«
»Cannes?«, stieß sie aufgeregt hervor.
Er schaffte es, ruhig zu bleiben. » A Home in the Soul wurde nominiert.«
Natalja fiel ihm quietschend um den Hals
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