Ueber den Himmel hinaus - Roman
geliebt haben.«
Ihr schwirrte der Kopf vom Champagner, vor Erleichterung, vor Liebe. »Ja. Ja.« Sie wollte spüren, dass sie noch am Leben war. Seine Liebkosungen setzten ihre Haut in Brand. Sie konnte sich nicht erinnern, wann er sie zuletzt so berührt hatte.
»Nie warst du so schön wie heute«, flüsterte er. »Das Glücklichsein tut dir gut.«
Sie lächelte. Er hatte recht. Es tat unheimlich gut, glücklich zu sein.
Selbstvorwürfe und Geldsorgen raubten Lena wieder einmal den Schlaf. Sie hatte ein lächerlich niedriges Angebot für das Haus bekommen. Der Makler war der Ansicht gewesen, sie sollte es annehmen, mehr würde nicht herausspringen, aber für Lena war es eine willkommene Ausflucht gewesen, um es nicht zu verkaufen. Sie hatte eine Woche verstreichen lassen, der Makler war ungeduldig geworden, ihr Schuldenberg war gewachsen, und dann waren die Käufer abgesprungen, und sie hatte es bereut, nicht verkauft zu haben.
Irgendwann musste sie doch eingeschlummert sein, denn das schrille Klingeln des Telefons riss sie aus dem Schlaf.
Schlechte Neuigkeiten. Bestimmt. Einem der Kinder war etwas zugestoßen.
Dann fiel ihr ein, dass ihre Kinder hier bei ihr waren. Es war Freitagnacht. Sie eilte trotzdem zum Telefon, von schrecklichen Vorahnungen geplagt.
»Hallo?«, keuchte sie.
»Lena.«
»Natalja.« Ihre erste Reaktion war Zorn. Sie kämpfte dagegen an, war nach wie vor überzeugt, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. »Was ist los?«
»Ich bin bei Sofi. Ich wollte dir nur sagen, dass Nikita allmählich aus dem Koma aufwacht.«
Lena ließ den Hörer sinken. Sie rutschte zu Boden, presste die Knie an die Brust und schluchzte. Einen Augenblick später stand Matthew in der Küchentür.
»Mum, ist alles in Ordnung?«
»Ja, ja, alles bestens.« Sie trocknete ihre Tränen. »Es gibt gute Neuigkeiten wegen Nikita.«
»Lena? Lena?«, drang Nataljas Stimme leise und blechern aus dem Hörer.
Lena erhob sich und nahm den Hörer wieder zur Hand. »Entschuldige, Natalja, ich bin total überwältigt.«
Matthew ging zu ihr und kuschelte sich unter ihren Arm.
»Es kann sich noch lange hinziehen«, erklärte Natalja. »Aber sie gehen davon aus, dass er vollständig genesen wird. Ich weiß, es ist schon spät, und ich weiß, du willst eigentlich nichts mit mir zu tun haben, aber ich dachte, du würdest es bestimmt gleich erfahren wollen.«
»Ich … ich bin froh, dass du angerufen hast … Kann ich mit Sofi reden?«
»Äh, nein, sie ist …«
»Sie will nicht mit mir reden?«
»Noch nicht, aber ich bin sicher, das kommt noch. Gib ihr Zeit.« Natalja holte tief Luft. »Und ich gebe dir auch Zeit, Lena. Aber ich werde ab nächsten Monat wieder in London sein, und ich würde dich wirklich gern sehen, falls du …«
Lena wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr Herz war nachtragend. Aber die Erleichterung stimmte sie milde. Sie hatte in einer Illustrierten von Nataljas russischem Film gelesen und war stolz auf sie gewesen, ihrer Verbitterung zum Trotz.
»Mal sehen. Ruf mich an, wenn du in London bist.«
»Es tut mir leid, musst du wissen.«
»Ich weiß. Aber ganz egal, wie oft du es noch sagst, es tut immer noch weh. Es tut so weh.« Sie schniefte, riss sich zusammen. »Ich muss auflegen. Matthew ist aufgewacht.«
»Lena, ich …«
»Gute Nacht, Natalja.«
Sie legte entschlossen den Hörer auf die Gabel. Sie wollte nicht noch länger mit ihrer Schwester reden; nicht jetzt. Sie wollte sich nicht in ihrer Erleichterung dazu hinreißen lassen, Natalja womöglich zu verzeihen und es danach für immer zu bereuen.
KAPITEL 50
Natalja war im großen Stil nach London zurückgekehrt, und sie genoss das Aufhebens, das ihretwegen gemacht wurde, in vollen Zügen. Sie genoss es insbesondere, in ihrer Mayfair-Suite im Claridge Hotel geschminkt zu werden,
während man ihr Tee, Kaffee und gekühltes Wasser anbot und ein Fernsehteam zwischen den pflaumenblauen Sofas seine Scheinwerfer aufbaute. Vor allem aber genoss sie es, das alles für Maxim zu tun, für seine Kunst. Er weigerte sich, nach England zu kommen - vermutlich weil er zu stolz war, sein Englisch war grauenhaft -, und er hatte sie gebeten, ihn bei den diversen PR-Terminen zu vertreten. Von Einsamkeit gequält, hatte sie eingewilligt. Dies war eine willkommene Gelegenheit, noch einmal an seinem Leben teilzuhaben, sich nach Kräften für seine Sache einzusetzen, damit er ihr dankbar war. Zugegeben, sie hätte auch sonst nichts dagegen gehabt,
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