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Ueber den Himmel hinaus - Roman

Ueber den Himmel hinaus - Roman

Titel: Ueber den Himmel hinaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Freeman
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heute.«
    Als er weg war, trank sie ihren Kaffee und ließ sich das Telefonat mit ihrer Schwester noch einmal durch den Kopf gehen. Sie würde gleich ihre Sachen zusammenpacken und nach Hause fahren, um Sofi anzurufen, aber sie fragte sich, ob sie vielleicht auch Sam informieren sollte. Nur um sicherzustellen, dass jemand ein Auge auf Lena hatte. Denn sie war eindeutig nicht mehr in der Lage, auf sich selbst aufzupassen.
     
    Am vierundzwanzigsten Dezember war Lena mit den Nerven endgültig am Ende. Sie hatte seit Tagen kaum ein Auge zugetan, sich im Halbschlaf mit Herzrasen im Bett herumgewälzt. Morgens nach dem Aufstehen fand sie auf dem Fußabstreifer im Flur einen Umschlag, auf dem ihr Name stand. Jemand musste ihn durch den Briefschlitz gesteckt haben. Sie wusste, dass er von ihm war, ehe sie ihn geöffnet hatte. Sie riss ihn trotzdem auf. Er enthielt keine Nachricht, sondern lediglich vier Polaroid-Fotos: Anna mit einer
Milchflasche in der Hand, offenbar auf dem Rückweg vom Supermarkt. Matthew mit zwei Freunden im Garten vor Wendys Haus. Sam und die Kinder beim Einsteigen ins Auto. Anna und Izzy, wie sie an einem ihr unbekannten Ort heimlich rauchten.
    Das Herz zog sich vor Angst schmerzhaft in ihrer Brust zusammen. Mit einem lauten Schluchzen presste sie die Fotos an sich, dann fasste sie sich wieder. Sie durfte nicht zulassen, dass ihnen etwas zustieß. Sie musste tun, was Creedy von ihr verlangt hatte.
    Sie hatte sich unablässig das Hirn zermartert, nach einem Ausweg gesucht, und war doch jedes Mal zum selben Schluss gekommen: Creedy war ein verzweifelter Mann; er würde sich durch nichts und niemanden davon abbringen lassen, sich Genugtuung zu verschaffen, Rache zu nehmen, ehe er starb. Sie hatte keine Ahnung, wie nah er ihr war. Er konnte in der Wohnung nebenan sitzen und ihre Telefongespräche abhören, er konnte gegenüber von Wendys Haus stehen und mit einem Gewehr auf Anna zielen. Wenn sie doch die Polizei informieren könnte oder wenigstens Sam! Doch falls Creedy es herausfand, würde er zweifellos seine Drohung wahr machen und womöglich mit einem Messer in der Tasche an Wendys Tür klopfen, ehe die Kinder in Sicherheit waren. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie dieses Drama lebend überstehen würde.
    Das Klingeln des Telefons ließ sie zusammenfahren. Das war bestimmt Creedy. Sie beschloss, es läuten zu lassen. Doch was, wenn sie damit seinen Unmut erregte, ihn zu irgendwelchen Wahnsinnstaten verleitete?
    »Hallo?«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    »Lena, hier ist Sam.«
    Sie brachte kein Wort heraus. Hörte Creedy mit? War da
ein Klicken in der Leitung gewesen, oder kam das Geräusch bloß von ihrem tropfenden Kühlschrank?
    »Wir wollten dich fragen, ob du Lust hast, heute Abend einen Spaziergang durch die Stadt zu machen.«
    In ihrer Verwirrung und ihrer Angst, es könnte Natalja nicht gelingen, Sofi zum Kommen zu überreden, hatte Lena kaum registriert, wie rasch das Weihnachtsfest herangenaht war. Himmel, sie war morgen bei Wendy zum Mittagessen eingeladen, und sie hatte noch gar keine Geschenke besorgt.
    »Ich kann nicht«, sagte sie rasch. Wenn Creedy sie zusammen sah, würde er annehmen, sie hätte Sam eingeweiht. »Ich … ich bin krank. Ich werde auch morgen nicht kommen.«
    »Krank? Was hast du denn?«
    »Ich weiß nicht, ich …« Zu ihrem Entsetzen begann sie zu weinen.
    »Lena, was ist los?«
    Ihr Kopf füllte sich mit furchteinflößenden Bildern. Creedy, der sie belauschte, die schmalen Lippen aufeinandergepresst. Sie durfte sich nicht verraten, durfte Sam nicht einmal auftragen, gut auf die Kinder aufzupassen, denn das hätte man bereits als Warnung auslegen können.
    Reiß dich zusammen. »Entschuldige, ich habe die ganze Nacht wach gelegen. Ich bin krank, ich werde es morgen nicht schaffen.«
    »Soll ich rüberkommen und dich zum Arzt bringen?«
    »Nein, es wird schon gehen.«
    »Aber …«
    »Ich sagte doch, es wird schon gehen. Ich will dich nicht sehen. Wag es ja nicht, hier aufzukreuzen.«

    »Schon gut, schon gut. Aber die Kinder werden schrecklich enttäuscht sein.«
    Sie ging nicht darauf ein.
    »Gib Bescheid, falls du es dir anders überlegst.«
    Wieder antwortete sie nicht.
    »Frohe Weihnachten«, sagte er.
    Lena sehnte sich nach den ganz gewöhnlichen Alltagssorgen, die sie früher geplagt hatten. Was hätte sie dafür gegeben, mit ihrer Familie durch die weihnachtlich geschmückte High Street schlendern zu können!
    »Ich muss auflegen«, sagte sie.

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