Ueber den Himmel hinaus - Roman
suchen.«
»Verschieben?«, wiederholte Natalja mit gespieltem Entsetzen. Bei den Dreharbeiten für Lonely Shores legte sie sich längst nicht so ins Zeug. »Auf wann denn?«
»Auf das kommende Frühjahr. Es gab bereits Vorgespräche mit den Leuten von BritSoap ; sie sind bereit, zu bezahlen, was wir verlangen. Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl.« Er streichelte ihr übers Haar. »Du wirst noch ein Jahr warten müssen, Schatz. Es tut mir leid.«
Natalja ließ sich ihre Erleichterung nicht anmerken.
»Vielleicht können wir den Termin ja etwas vorziehen, damit die Hochzeit noch vor deinem dreißigsten Geburtstag
stattfindet.« Er trug die mitgebrachten Weinflaschen in die Küche. »Neunundzwanzig klingt einfach besser, nicht? Wenn eine Frau über dreißig heiratet, wirkt das immer so verzweifelt.«
Sie antwortete nicht. Noch ein Jahr, um eine Entscheidung zu treffen.
»Alles okay, Liebling?« Er fuhr ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange. »Ich wollte dir nicht den Abend verderben.«
Sie lächelte. »Das hast du nicht. Das Wichtigste ist doch, dass wir zusammen sind.«
Es klingelte. »Er ist da.«
Glynn Kendrick war jung und sprühte vor Energie. Seine Freundin, ein amerikanisches Ex-Mannequin, hieß Roxanne und aß sogar noch weniger als Natalja. Alle lobten das Essen in den höchsten Tönen, obwohl sie es kaum angerührt hatten.
»Da hast du dir ja eine tolle Köchin und Haushälterin geangelt«, scherzte Glynn, als Natalja die Teller abräumte.
»Die Wohnung ist traumhaft«, bemerkte Roxanne.
»Ja, selbst wenn die Einrichtung aus den Achtzigern stammt«, fügte Glynn hinzu.
Alles lachte, doch Natalja wusste, Rupert würde sich den Kommentar zu Herzen nehmen. Sie setzte sich und öffnete eine weitere Flasche Wein. Sie kamen auf Berufliches zu sprechen, und Roxanne bekannte, sie sei süchtig nach Lonely Shores .
»Seit wir hier sind, habe ich keine Folge verpasst«, gestand sie. »Natalja, deine Rolle ist einfach großartig! Was geschieht mit dem Baby?«
Natalja dachte angestrengt nach. Sie schaute die Serie nur noch äußerst selten, und die Dreharbeiten für die aktuelle
Staffel lagen Monate zurück. Sie wusste lediglich, dass sie zurzeit mit einem lächerlich kleinen künstlichen Schwangerschaftsbauch zu sehen war.
»Das darf ich nicht verraten«, sagte sie. »Sonst reißt mir Rupert den Kopf ab.«
»Aber bis das Baby auf die Welt kommt, bin ich wieder in den Staaten«, jammerte Roxanne. »Bitte.«
»Tatjana möchte das Kind zur Adoption freigeben«, erklärte Rupert. »Aber Mary Peterson …«
»Ist das die Ehefrau des Kindsvaters?«, fragte Roxanne.
»Genau. Sie will das Baby adoptieren.«
»Obwohl es sie permanent an den Seitensprung ihres Mannes erinnern wird. Genial! Woher nimmst du nur diese Einfälle, Rupert?«
»Die verdanke ich meiner Muse.« Er beugte sich über den Tisch und ergriff Nataljas Hand, sehr zu ihrer Verwunderung.
»Du hast ja auch in Wirklichkeit einen ziemlich starken Akzent, Natalja«, bemerkte Glynn. »Ich dachte, der sei nur gespielt.«
Natalja wusste nicht recht, was sie von diesem Kommentar halten sollte. Sie selbst fand, dass sie inzwischen klang wie eine gebürtige Engländerin. »Nein, das ist ein authentischer russischer Akzent.«
»Ich arbeite da gerade an einem Projekt … Ein Spionagethriller, in Moskau in den Fünfzigern. Es wäre toll, wenn du für die weibliche Hauptrolle vorsprechen würdest. Ist nichts Besonderes; eine Geliebte, die nach drei Vierteln des Filmes mit einer Kugel im Kopf endet.« Er lachte verlegen. »Du wärst die perfekte Besetzung.«
»Ich würde mich freuen.« Natalja verspürte ein Kribbeln am ganzen Körper.
Von da an war sie regelrecht high. Sie trank zu viel, genehmigte sich sogar ein Dessert, für das sie tags darauf mit einer Stunde Jogging büßen würde. Ihr Lachen wurde rau, sie begann, Roxanne russische Schimpfwörter beizubringen … und im Nachhinein kam es ihr sogar so vor, als hätte sie mit Glynn geflirtet. Als die beiden gegen eins nach Hause gegangen waren und Natalja das Geschirr in die Spülmaschine gestellt hatte, erwartete Rupert sie bereits im dunklen Schlafzimmer.
»Du hast dich gut amüsiert heute«, stellte er fest.
Sie sank auf das Bett, erschöpft und betrunken. »O ja.«
»Jetzt bin ich an der Reihe.« Er zog sie an sich.
»Kann das nicht bis morgen warten, Rupert? Ich bin müde.«
»Nein, kann es nicht«, knurrte er und zerrte ihr brutal das Kleid von den Schultern. »Ich habe ihn
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