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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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Schatten auf die kantig geschnittenen Wangenknochen.
    Matthias konnte den Blick nicht abwenden. Und ebenso wenig konnte er Arthur antworten.
    „Warum siehst du mich so an.“ Es war keine Frage und Arthur konnte nicht wissen, dass Matthias ihn ununterbrochen ansah.
    Nicht, bis Arthur seine Augen wieder öffnete. Seine Lider flatterten und auf einmal fielen Matthias weder die dunklen Schatten in dessen Gesicht auf, noch die Rötungen um die Lider. Er bemerkte die Bartstoppeln nicht mehr oder den ungesunden, beinahe gelblich erscheinenden Teint.
    Matthias sah nur noch Arthurs Augen und die hatten sich nicht verändert. Dunkle, tiefe Seen, bestehend aus warmem, flüssigen Braun, in das er einzutauchen wünschte, in dem er einst immer wieder und entgegen jeden besseren Wissens, gehofft hatte, sich geborgen fühlen zu können.
    Matthias bemühte sich, das flüchtige Gefühl fortzuschieben. Denn etwas anderes war es nicht. Nicht mehr als ein flüchtiges Gefühl. Ohne Sinn und ohne Bedeutung.
    Es gelang nicht. Doch gelang ihm endlich, seinen Blick zu lösen. Langsam schüttelte er den Kopf. „Was ist aus dir geworden?“
    Es sollte anklagend klingen, wütend, so wie er sich gefühlt hatte, als er aufgebrochen war, erfüllt von den Vorwürfen, die er Arthur an den Kopf hatte werfen wollen.
    Doch so klang es nicht. Es klang leise, müde, fast wie eine Klage.
    „Was interessiert es dich?“, flüsterte Arthur.
    Und Matthias Blick sank zu Boden. „Das ist unfair“, stieß er hervor in dem Versuch, die Oberhand zu behalten. „Wir sind Freunde. Natürlich interessiert es mich.“
    Matthias sah auf, als er eine Bewegung wahrnahm, als er zusah, wie Arthur sich nach vorne beugte und seine Stirn auf beide Hände stützte.
    „Wir sind Freunde“, wiederholte Arthur, seine Augen ebenfalls auf den Boden gerichtet. „Ich war mir da nicht mehr sicher.“
    Matthias schluckte. „Nur, weil wir uns nicht mehr so oft gesehen haben, heißt das doch nicht, dass wir nichts mehr gemeinsam haben.“
    Er sah immer noch nicht auf.
    „Ich war mir ganz sicher, dass du einen neuen Erfolg landest. Und es ist doch nie ausgeschlossen, dass wir eines Tages wieder zusammen arbeiten, zusammen drehen. Das … damit können wir doch immer rechnen.“
    Matthias verstummte, und fühlte einen Hauch des zuvor erloschenen Ärgers wieder aufflammen. Warum ließ er es zu, dass eine vage und unbegründete Schuld an ihm fraß?
    Sich von Arthur manipulieren zu lassen, kam überhaupt nicht in Frage. Das war der nicht wert.
    Matthias hob das Kinn und sein Blick traf auf Arthurs, der ihn unverwandt ansah.
    „Das ist es also“, sagte der Mann schließlich. „Du rechnest dir aus, dass ich doch noch einmal nützlich für dich sein werde.“
    Er sagte es ohne Ärger, ohne Vorwurf, ohne eine Emotion.
    Matthias spürte, wie sich seine Wangenmuskulatur verhärtete, sein Hals streckte. „Wenn du das denkst …“, begann er, doch verstummte sogleich.
    Was sollte er auch sagen? Arthur lag so falsch nicht. Er hätte nur nicht erwartet, dass der Ältere ihn gleichermaßen durchschaute, und dann das, was er sah, in Worte fasste. Es sah ihm nicht ähnlich, und versetzte Matthias gegen seinen Willen einen Stich in die Magengrube.
    Zu wissen, dass Arthur tatsächlich Bescheid wusste, den Opportunisten in Matthias erkannte, dass es sich um eine Tatsache und keine bloße Vermutung mehr handelte, schmerzte Matthias mehr als er zugeben wollte.
    „So ist es nicht“, sagte er schließlich, doch seine Stimme klang rau.
    „Natürlich nicht.“ Arthur nahm seine Hände vom Gesicht und ließ sich im Sofa zurücksinken. Er wirkte erschöpft, auf einmal erschöpfter als zuvor. „Das hätte ich nicht sagen sollen“, fügte er leise, fast unhörbar hinzu. „Es spielt ohnehin keine Rolle.“
    Matthias biss sich auf die Unterlippe und sah zur Seite. Das Licht drang durch die Jalousien in den Raum und warf ein seltsames Muster auf den Boden. Für eine Weile starrte Matthias darauf, in Ermangelung eines anderen Zieles, auf das er seine Aufmerksamkeit gefahrlos lenken konnte.
    „Es tut mir leid“, sagte er schließlich heiser und verschluckte sich fast an seinen eigenen Worten. Das hatte er nicht sagen wollen. Er hatte nicht einmal gewusst, dass sein Gehirn dabei gewesen war, die Worte zu formen, geschweige denn sie auszusprechen.
    Arthur blinzelte. Erst dann richtete sich der dunkle Blick wieder auf Matthias. Und wie zuvor konnte der Jüngere es nicht über sich bringen wegzusehen,

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