Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Schritte in der Firma.
Christian blieb still und in sich zurückgezogen. Nur hin und wieder sah er unter seinen dunklen Strähnen zu Olaf, trafen ihre Augen sich in geheimem Einverständnis.
Und als die Nacht kam und Olaf sich in sein Zimmer zurückzog, schlüpfte Christian durch den offenstehenden Spalt der Tür, warf sich mit einem Seufzer auf das Bett. Er stützte sich auf einen Arm und sah Olaf an, der sich nicht irritieren ließ, sondern seinen Koffer weiterhin auspackte, die sorgfältig zusammengelegten Wäschestücke schnurgerade in den Schrank ordnete, so wie er es gewohnt war, solange er denken konnte.
Christian rollte mit den Augen. „Mein Gott, bist du ein Ordnungsfanatiker!“
Olaf grinste. „Daraus schließe ich, dass es in deinem Zimmer nicht anders aussieht als sonst.“
„Darauf kannst du wetten.“ Christian lächelte zurück. „Ein freier Geist braucht Chaos, um sich zu entfalten.“
Olaf zwinkerte. „So kann man es auch sehen.“
Endlich hatte Olaf seine Aufräumaktion beendet. Er drehte sich um, stemmte die Hände in die Hüften und sah Christian mit gespielter Strenge an. „Zeit fürs Bett, Kleiner.“
Christian kicherte. „Das wagst du nicht mehr, wenn ich dich beim nächsten Besuch um mindestens einen Kopf überrage.“
„Was?“ Olaf gähnte demonstrativ. „Dich ins Bett stecken? Das schaffe ich noch immer.“
Christian ließ sich zurück in die Kissen fallen. „Im Bett bin ich ja schon.“
Er streckte seine Hand aus und ohne nachzudenken ergriff Olaf sie und kletterte auf die Matratze. Er seufzte müde, als er sich gegen das Kopfende lehnte, die Entspannung fühlte, die sich in seinen Gliedern breit machte.
Umgehend rutschte Christian hinauf, bis er neben ihm saß und sank dann mit einem zufriedenen Seufzer an Olafs Schulter, als könnte es keine perfektere Lehne für seinen Körper geben.
Olaf schob das Gefühl, dass sein Bruder eigentlich zu alt war zum Kuscheln beiseite und legte seinen Arm um ihn, zog ihn näher.
Christian schnurrte fast und Olaf schloss die Augen. Er hatte sich nie viel aus Berührungen gemacht, doch für Christian schien genau das Gegenteil zu gelten.
Solange Olaf sich erinnern konnte, hatte der Jüngere den körperlichen Kontakt gesucht, beinahe auf eine drängende Weise. Als sei ihm der Begriff des persönlichen Freiraumes fremd oder als fühle er die Notwendigkeit, diesen stets für sich zu beanspruchen.
Und Olaf war nicht unglücklich darüber, diesem Bedürfnis nachzugeben.
Im Gegenteil, er musste zugeben, dass er sich stets heimlich darauf freute, auf die Wärme, die Christians Suche nach Nähe in ihm emporsteigen ließ - ein widersinniges Gefühl, Geborgenheit gleichzeitig zu geben und zu empfangen.
Sofern es ihre Eltern anging, so bezweifelte Olaf ernsthaft, dass sie Christian mehr davon zugestanden hatten, als ihm selbst.
Und auch wenn er hin und wieder bemerkte, wie Christian sich an ihre Mutter hängte, ihren Arm nahm oder sich an ihrer Schulter festhielt, so erkannte er doch das Versteifen in ihrem Körper, das nur den Vorboten der unwiderruflich erfolgenden Trennung darstellte.
Also hatte Olaf sich schon vor langer Zeit entschlossen, Christian das zu geben, was dieser sich wünschte, was dieser brauchte, wann immer er es brauchte.
So ließ er es zu, dass Christian sich näher an ihn schmiegte, Olafs Oberkörper schließlich mit beiden Armen umfasste und seinen Kopf an Olafs Brust lehnte.
„Ich hab dich vermisst“, murmelte er leise und Olaf küsste Christians ungekämmten Haarschopf.
„Ich dich auch“, antwortete er leise.
Christian seufzte wieder. „Ich wünschte, ich könnte mit dir zur Uni gehen… hier ausziehen.“
Olaf lachte leise. „Sei froh, dass du noch ein Kind sein darfst.“ Er verbesserte sich schnell. „Verzeihung, ein junger Mann natürlich. Alles andere kommt schnell genug.“
„Ja.“ Christian schwieg einen Moment und Olaf schloss wieder seine Augen, genoss die Wärme, das Wissen, nicht allein zu sein.
„Ich werde eh nicht studieren“, murmelte er dann.
Olaf öffnete widerstrebend seine Augen. „Wieso denkst du das?“, fragte er.
„Ach.“ Christian zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht so gut. Ich hab nicht deine Noten… zumindest höre ich das immer wieder.“
Die Worte versetzten Olaf einen leichten Stich. „Es geht doch nicht nur um die Noten“, sagte er und fühlte sich ein wenig hilflos. „Du kannst alles erreichen, was du erreichen willst.“
„Das ist es ja“, sagte
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