Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Christian. „Ich weiß nicht, was ich will.“
Olaf blieb still, erinnerte sich daran, wie es für ihn gewesen war. Wie es für ihn nie einen Zweifel gegeben hatte, nie eine Frage gewesen, was sein nächster Schritt sein sollte und wohin dieser ihn führte.
Auf eine gewisse Art neidete er Christian seine Freiheit, auf eine andere Art konnte er die Unsicherheit nachvollziehen, die seinen Bruder umtrieb.
Und er fragte sich, nicht zum ersten Mal, warum ihr Vater Christian nicht ebenso einband, wie er ihn damals eingebunden hatte. Warum er ihm nicht den Plan servierte, mit dem Olaf seit er denken konnte aufgewachsen war.
„Genieße es, nicht zu wissen, was kommt“, sagte Olaf schließlich. „Es wird sich ergeben, früher oder später und dann wirst du uns alle überraschen.“
Christian grinste. Olaf spürte die Bewegung der Mundwinkel durch sein Hemd hindurch.
„Hoffentlich nicht zu negativ“, murmelte Christian und Olaf hörte die Schläfrigkeit in seiner Stimme.
„Sicher nicht“, bestätigte er und drückte den Jüngeren fester an sich, hielt ihn bis er eingeschlafen war.
Christian schaffte es nicht zum ersten Mal nicht mehr in sein eigenes Bett, und ebenso wenig war es das erste Mal, dass Olaf sich die Mühe ersparte, seinen Bruder aufzuwecken und den Gang hinunter zu schaffen.
Das Bett war groß genug und so deckte er Christian einfach notdürftig zu, drehte sich dann zur Seite und schlief selbst ein.
Als er aufwachte, war Christian verschwunden und das Bett erschien Olaf mit einem Mal viel zu groß, größer zumindest, als alles andere, was er bislang gewohnt war. Er langte hinüber zu der Stelle, an der Christian gelegen hatte, doch die Matratze war bereits abgekühlt, die Decke zurückgeschlagen.
Olaf blinzelte in die Dunkelheit, schüttelte dann über sich selbst den Kopf. Natürlich war Christian in seine eigenen vier Wände zurückgekehrt. Es wäre dumm anzunehmen, dass er es bei Olaf gemütlicher fand.
Olaf lächelte über sich selbst. Unglücklicherweise war er jetzt munter geworden. Er gähnte und blickte auf die Uhr. Es ging bereits auf drei zu und Olaf entschloss sich, etwas zu trinken.
Zudem erschien es ihm mit einem Mal interessant, sich in diesem Haus nach so langer Zeit der Abwesenheit wieder zurechtzufinden.
Und was wäre besser geeignet, als ein Erkundungsgang, den er alleine und ungestört durchführte.
Olaf stand auf, bemerkte zu seinem Unbehagen, dass ihn die Müdigkeit oder Christian davon abgehalten hatte, sich umzuziehen.
Er zuckte mit den Schultern. Umso besser, brauchte er sich zumindest darüber keine Gedanken zu machen.
Die Stille entfaltete sich erdrückend, sobald er aus seiner Tür trat und automatisch wurden seine Schritte leiser, ging sein Atem kontrollierter. Olaf ging zur Treppe und hatte bereits die Hälfte der Stufen hinter sich gelassen, als er leise Stimmen hörte.
Innerlich fluchte er, fühlte sich versucht, unverrichteter Dinge wieder umzukehren. Nicht auszudenken, wenn er um diese Zeit noch entdeckt und vielleicht in ein Gespräch hineingezogen würde.
Ohne zu wissen, was ihn dazu bewog, blieb er jedoch stehen und lauschte, war es ihm doch mit einem Mal, als hätte er Christians Namen gehört.
Olaf presste die Lippen zusammen, schüttelte unmerklich den Kopf und wandte sich bereits zum Gehen, als die Stimme seines Vaters lauter wurde.
„Verdammt noch mal, der Junge ist ein einziger Fehler. Ein Ärgernis von Anfang an.“
Olaf zuckte zusammen.
„Er ist immer noch unser Sohn.“ Auch die Stimme seiner Mutter klang schrill und Olaf konnte jetzt nicht anders, als weiter hinunter zu gehen.
„Ein Unfall“, widersprach Hannibal. „Und du siehst, was daraus geworden ist, was du aus ihm gemacht hast. Er ist verweichlicht, selbstsüchtig und keinerlei Anforderungen gewachsen.“
„Er ist nicht wie Olaf.“ Helenas Stimme war leiser geworden, doch immer noch laut genug, dass er sie verstehen konnte.
„Von Anfang hatte besaß er nicht das Potential, nicht die Fähigkeiten und die Stärke, die zur Leitung der Firma notwendig ist.“
Das folgende Geräusch ähnelte einem verächtlichen Schnauben, bevor Hannibal fortfuhr.
„Einen Sohn, sagte ich. Einen einzigen Sohn! Das habe ich von Anfang an klar gemacht. Du hast mich mit dem Bastard einfach überrumpelt.“
Olaf merkte nicht, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Erst als die Nägel in seine Handballen schnitten, dachte er daran, auszuatmen und den Griff zu lockern.
„Ignoriere ihn
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