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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Tschaske leise: »Zusammen?«
    Und der Blutsbruder antwortete mit einem »Ja«.
    Dann krochen die beiden unter dieselbe Decke, um an diesem Tag beieinander zu schlafen.
    Als sie abends aufwachten und es im Zelt schon dunkelte, fühlten sie sich erfrischt und gestärkt. Sie hielten sofort nach dem Bärenkind Ausschau. Es lag in eine Decke gewickelt in ihrer Nähe, satt und zufrieden. Neugierig äugte es nach den beiden Jungen. Während die Brüder es noch betrachteten, wurde ihr Bett schon zusammengeschlagen und verpackt. Sie liefen schnell hinaus, um bei Sonnenuntergang noch einmal im Fluß zu baden.
    Als sie zurückkamen, waren die Lederwände der Tipi schon von den Stangen abgenommen. Das Lager löste sich auf. Nur ein einziges Zelt stand noch unberührt; das des Bibers. Vor diesem Zelt lief die kleine Blitzwolke unschlüssig umher; sie schien nicht zu wissen, ob sie eintreten sollte oder nicht.
    Auf Tschaskes Vorschlag gingen die beiden Buben zu ihr hin.
    »Ach, da seid ihr«, sagte das Mädchen halb abwesend. »Was soll ich nun tun? Es ist niemand in dem Zelt. Ich kann es doch nicht allein abbrechen.«
    »Wo sind deine Mütter? Und deine Schwestern?« fragte Hapedah erstaunt.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Das weißt du nicht?« Hapedah konnte sich einer aufsteigenden Unruhe nicht erwehren. »Seit wann sind sie denn fort?«
    »Ach, ich weiß nicht. An dem Morgen nach der schrecklichen Nacht, in der sie im Traum geschrien hat, habe ich sie zum letztenmal gesehen. Unsere alte Mutter saß in dem Weidengebüsch am Fluß, als Untschida kam und sie holte. Dann ging Die Gefleckte Kuh mit allen meinen Müttern und Schwestern in den Wald, und ich dachte, sie wollten Wurzeln suchen oder Tschapas Jagdbeute bergen. Seitdem habe ich meine Mütter nicht mehr erblickt. Ich habe ja bei euch geschlafen.«
    Die Brüder erschraken. »Du mußt es Tschapa und dem Häuptling sagen! Weiß es dein Oheim noch nicht?«
    »Nein. Auch er wohnte ja im Tipi Tokei-ihtos. Woher soll er es wissen?«
    Das Mädchen lief fort, um ihren Onkel zu suchen, und die Knaben erzählten ihrer Mutter, was sie erfahren hatten. Sie sahen, daß die Nachricht auch sie sehr erschreckte.
    Es wurde gesucht, aber die Mütter und Töchter aus dem Zelt des Bibers waren und blieben verschwunden. Der Häuptling rief seine Späher zusammen. Ihasapa erinnerte sich, die Frauen unter Führung der Gefleckten Kuh im Wald gesehen zu haben, wie sie nordwärts strebten. Auch er hatte sich dabei nichts Böses gedacht, sondern vermutet, daß sie auszogen, um eine große Jagdbeute des Bibers zu bergen.
    Die Männer, die sich um Tokei-ihto versammelt hatten, wurden sehr nachdenklich.
    »Sie hassen mich«, sagte der Häuptling, »und sie laufen zum Feind, um uns zu verraten. Die Goldsucher sind in der Nähe. Folgt ihr den Verräterinnen«, befahl er dem Biber und Tobias. »Ihre Spuren müssen im Schnee noch zu finden sein. Sie haben einen Vorsprung von zwei Tagen und einer Nacht, aber es mag sein, daß ihr sie noch faßt, ehe sie Unheil angerichtet haben.«
    Die beiden Krieger machten sich auf den Weg.
    Still, mit der Ahnung drohender Gefahren, brach die Bärenbande nach Sonnenuntergang in langem Zug westwärts auf.
    Hapedah hatte das Bärenjunge in dem Travoi mitnehmen dürfen, das die Fuchsstute an den Zeltstangen hinter sich herzog.
    Tschaske beobachtete vom Rücken seines Mustangs aus, ob es sich ruhig verhielt.
    »Da haben sie es ja – siehst du es – da«, sagte die Frau des Antilopensohnes zu Blitzwolke. »Unsere beiden Bärenknaben!«
    Hapedah schaute sich nach Tschaske um. Die Brüder tauschten einen schnellen Blick. Bärenknaben? Das war nicht schlecht. Es war ein neuer Name, ein besserer Name als Haarkämmer und Breitbeinig, und sie trugen ihn gemeinsam wie rechte Brüder.
     
     
     

 
Indianische Kriegskunst
     
    Der Zug war in tiefer Dunkelheit aus dem Waldlager aufgebrochen. Schweigend wanderten die Menschen durch die Nacht, und auch die wenigen Hunde trugen ihre Packen ohne zu bellen.
    Der Marsch ging noch westwärts. Erst als die Höhen der Schwarzen Hügel zur Rechten zurückgewichen waren, leiteten Tokei-ihto und Hawandschita nach Nordwesten in das Hochland hinein, das sich zwischen den Black Hills und dem Felsengebirge erstreckte und auch jetzt noch unter hohem Schnee lag.
    Nacht um Nacht ging es dort weiter auf dem Weg nach Norden. Der Transport der Habe wurde schwierig; der Schnee war nicht fest, und die Pferde brachen ein. Tapfer spurte der falbe Leithengst

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