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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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eines Hofmanns, einer Prinzessin, eines Prinzen aufzustellen, und sie in einen engen Kreis zu bannen, wo sich jeder von ihnen mit eben der zähen Eigenliebe herumtummelt, womit andere suchen würden, die Welt aus den Angeln zu heben. Tasso's kränkelnde Empfindlichkeit ist bekannt, eben so bekannt wie die rauhe abstoßende Höflichkeit seines Gönners Antonio, der bei allen Betheurungen der hohen Bewunderung, die er für seine Schriften habe, ihn dennoch ins Irrhaus sperren ließ; als wenn das Genie, das aus der Seele stammt, wie ein mechanisches Talent behandelt werden könnte, woraus man Nutzen schöpft, und das man schätzen kann, ohne den Besitzer zu achten.
    Leonore von Este, des Herzogs von Ferrara Schwester, die der Dichter heimlich liebt, wird von Göthe als ein Weib geschildert, das ihre Wünsche ins Land des Enthusiasmus versetzen, das aber durch ihre Schwäche in das der Klugheit zurückgerufen wird. Auch hat Göthe einen Hofmann eingeführt, der die Weisheit der Welt besitzt, und Tasso'n mit jener vornehmen Hoheit begegnet, die der Geschäftsgeist sich über das poetische Genie anmaßt, ihn durch seine berechnete Kälte und durch die Geschicklichkeit reizt, womit er ihm wehe thut, ohne ihn eigentlich beleidiget zu haben. Dieser kaltblütige Mann bleibt dadurch im Vortheil, daß er seinem Feinde mit trockenen feierlich-höflichen Reden entgegen kommt, die ihn unsichtbar und auf eine Weise verletzen, worüber er nicht Beschwerde führen darf. Eben dieses sind die empfindlichen Streiche, die eine gewisse Weltkunst zu versetzen versteht; in diesem Sinne ist zwischen der Redekunst und der Kunst zu reden ein großer Unterschied; um beredt zu seyn, muß man die Wahrheit von allen ihren Fesseln befreien, und bis in das innerste Gemüth dringen, wo die Ueberzeugung ihren Sitz hat; die Redegeschicklichkeit hingegen besteht in der Kunst auszuweichen, in dem Talent, mit Hülfe einiger Sätze dem, was man nicht hören will, gehörig aus dem Wege zu gehen; in der Fertigkeit, sich derselben Waffen zu bedienen, um alles anzudeuten, ohne daß man uns jemals beweisen könne, wir haben dieses oder jenes gesagt.
    Dergleichen Fechterstreiche sind jedem lebhaften, wahrhaften Gemüthe äußerst empfindlich. Derjenige, der sie anbringt, scheint uns überlegen zu seyn, weil er uns in Bewegung setzt, während er selbst ruhig bleibt; man lasse sich aber nicht durch diese negative Kraft irre machen. Nur diejenige Ruhe ist schön, welche aus der Kraftfülle entsteht, die uns unsre eigne Leiden ertragen hilft; entsteht sie aber aus der Gleichgültigkeit gegen fremde Leiden, so wird sie zur vornehmen Persönlichkeit, die alles andre verachtet, herabgewürdigt. Es bedarf nur eines einjährigen Aufenthalts an einem Hofe, in einer Hauptstadt, um es mit leichter Mühe so weit zu bringen, daß man in den Egoismus, Gewandtheit, und sogar Anmuth und Grazie lege; um sich aber einer tiefen Hochachtung wahrhaft würdig zu machen, müßte man in sich, wie in einem schönen Werke, entgegengesetzte Eigenschaften vereinigen, nämlich die Kenntniß der Geschäfte und die Liebe des Schönen; die Weisheit, die wir zu unsern Verhältnissen mit den Menschen bedürfen, und den Aufflug, den das Gefühl für die Künste vorzeichnet. Freilich würde ein solches einzelnes Wesen zwei Wesen enthalten; und Göthe selbst sagt in seinem Tasso: die beiden Personen, die er contrastiren lasse, der Politiker und der Dichter, seien die beiden Hälften des Menschen. Nur kann zwischen diesen beiden Hälften keine Sympathie bestehen, weil Tasso's Character ohne Klugheit, so wie Antonio's, ohne Empfindung ist.
    Die kranke Empfindlichkeit, der gereizte Argwohn der Schriftsteller und Dichter hat sich in Rousseau, im Tasso gezeigt, und zeigt sich noch häufiger in der deutschen Gelehrtenrepublik. Die französischen Autoren sind weniger empfänglich. Wer viel mit sich selbst und in der Einsamkeit lebt, verträgt die äußere Weltluft nicht gut. Die Gesellschaft hat, wie die Luft, manches rauhe für den, der ihrer nicht von Jugend auf gewohnt ist; Ironie und der Spott der Welt sind für den talentvollen Mann verderblicher als für jeden andern; der Geistvolle allein weiß sich derselben zu erwehren. Göthe hätte Rousseau's Leben zum Text oder Muster jenes Kampfes wählen können, zwischen der Gesellschaft wie sie ist, und der Gesellschaft, wie ein poetischer Kopf sie sucht oder wünscht; aber Rousseau's Lage hätte seiner Einbildungskraft weit weniger Stoff dargeboten, als

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