Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
Vom Netzwerk:
Methode, daß es wirklich schwer wird, zu entscheiden, ob etwas darin Menschenwerk ist. Die Geschäfte folgen auf einander nach der Nummer; es wird um nichts von der Welt von dieser Ordnung abgewichen. Unveränderliche Regeln entscheiden überall, alles wird im tiefsten Stillschweigen betrieben; dieses Stillschweigen ist aber keineswegs die Folge der Furcht, denn was hätte man in einem Lande zu fürchten, wo die Tugenden des Monarchen und die Grundsätze der Billigkeit alles leiten? Gleichwohl benimmt diese tiefe Geistes- und Seelenruhe der Rede ihr ganzes Interesse. Weder das Verbrechen, noch das Genie, weder die Intoleranz, noch der Enthusiasmus, weder die Leidenschaften, noch der Heldenmuth, stören die Existenz, oder erheben sie. Das östreichische Cabinet hat im letzten Jahrhundert für sehr verschlagen gegolten; dieses stimmt überhaupt wenig mit dem deutschen Character überein; oft aber hält man für eine tiefe Politik, was die bloße Alternative zwischen Ehrgeiz und Schwachheit ist. Zu allen Zeiten hat die Geschichte den Einzelnen, wie den Regierungen, mehr Combinationsgeist zugeschrieben, als sie wirklich besaßen.
    Oestreich vereinigt unter seinem Zepter überaus verschiedenartige Völkerschaften, z. B. die Böhmen, Ungarn etc.; es muß daher an jener Einheit fehlen, die einer Monarchie so nothwendig ist; gleichwohl hat seit langer Zeit die große Mäßigung der Oberhäupter aus der Liebe zu Einem ein Band für Alle gemacht. Der deutsche Kaiser war zugleich unumschränkter Herr in seinem eigenen Lande und constitutionelles Oberhaupt des Reichs. In dieser letzten Hinsicht hatte er mannichfache Interessen und eingeführte Gesetze zu berücksichtigen, und gewöhnte sich, als kaiserliche Magistratsperson, an eine Gerechtigkeit und Klugheit, die er bei der Regierung seiner Erbstaaten wieder anbrachte. Die böhmische und ungarische Nation, die Tyroler und Flamländer, aus welchen ehemals die Monarchie bestand, besitzen insgesammt mehr natürliche Lebhaftigkeit als die Oestreicher; diese legen sich mehr auf die Kunst zurückzuhalten, als anzutreiben. Eine sanftmüthige Regierung, ein fruchtbares Erdreich, eine reiche und vernünftige Nation, alles mußte sie bei dem Gedanken erhalten: es müsse alles nur so bleiben, um gut zugehen, und man bedürfe in keiner Gattung die Beihülfe außerordentlicher Talente. Freilich kann man ihrer in den ruhigen Zeiten der Geschichte entbehren; wie aber behilft man sich ohne sie in stürmischen Kämpfen?
    Der Geist des Catholicismus, der, obschon mit vieler Mäßigung, in Wien vorherrschte, hatte unter der Regierung der Kaiserin Maria Theresia die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts, oder was man so nannte, entfernt gehalten. Ihr Nachfolger Joseph II. überströmte mit diesem Lichte ein Land, welches weder auf das Gute, noch auf das Böse, was daraus entstehen kann, vorbereitet war. Für den Augenblick gelang ihm das Vorhaben, weil er in Oestreich keine lebhafte Leidenschaft weder für noch gegen seine Wünsche antraf; 
»
aber nach seinem Tode erhielt sich keine seiner Einsetzungen, weil nichts von Dauer ist, als was stufenweise geschieht. «
    [Von der Censur gestrichen.]
    Industrie, Wohlleben und häuslicher Genuß sind die Hauptvortheile, nach welchen Oestreich strebt; und alles Ruhms ungeachtet, welchen die Nation durch die Ausdauer der Tapferkeit ihrer Krieger erhielt, ist dennoch der militärische Geist nicht in alle Volksklassen wahrhaft eingedrungen. Die östreichischen Heere sind zwar, so zu sagen, die beweglichen Festungen der Monarchie; gleichwohl giebt es in der militärischen Laufbahn nicht viel mehr Trieb und Wetteifer als in den übrigen: die biedersten Officiere sind auch die bravsten; und dieses gereicht ihnen um so mehr zum Verdienst, da für sie nur selten ein schnelles glänzendes Vorrücken zu hoffen ist. Man macht es sich einigermaßen zum Gewissen in Oestreich, vorzügliche Männer  zu begünstigen; und man dürfte sich fast den Gedanken erlauben, die Regierung wolle die Billigkeit und Gleichheit noch weiter treiben als die Natur, und das Talent und die Mittelmäßigkeit auf eine und dieselbe Stufe stellen.
    Der Mangel an Wetteifer hat in so fern sein Gutes, daß er die Eitelkeit niederschlägt; oft aber auch leidet der edle Stolz darunter, und macht zuletzt der bequemen Hoffart Platz, der es in allen Stücken an der Aussenseite genügt.
    Zu tadeln ist, wie mich dünkt, der Grundsatz, welcher in Oestreich das Einführen fremder Bücher

Weitere Kostenlose Bücher