Ueber Deutschland
daß Kant, wie wir alle es fühlen, den Satz aufgestellt hat: es gebe eine Seele und eine äußerliche Natur, und beide wirken nach gewissen Gesetzen wechselseitig auf einander. Ich weiß, weshalb man mehr philosophische Höhe in der Idee eines einzigen Princips findet, mag es materiell oder intellectuell seyn: aber eins oder zwei macht das Universum nicht begreiflicher, und unser Gefühl schließt sich lieber an diejenigen Systeme an, welche das physische und das moralische als verschieden erkennen.
Fichte und Schelling haben sich das Gebiet getheilt, welches Kant als getrennt betrachtet hatte. und jeder hat gewollt, daß seine Hälfte das Ganze sey. Beide sind aus der Sphäre der Menschheit herausgetreten, und haben sich zur Kenntniß des Systems des Universums erheben wollen; hierin sehr verschieden von Kant, welcher eben so viel Geisteskraft daran gesetzt hat, nachzuweisen, was der menschliche Verstand nie begreifen wird, als zu entwickeln, was er wissen kann.
Indeß hatte, vor Fichte, kein Philosoph das System des Idealismus zu einer so wissenschaftlichen Strenge erhoben. Er construirt das ganze Universum aus der Thätigkeit der Seele. Von ihr rührt alles her, was gedacht, alles, was ersonnen werden kann. Um dieses Systemes willen, ist er des Unglaubens beargwohnt worden. Man hörte ihn sagen: in der folgenden Vorlesung wolle er Gott construiren, und mit Recht stieß man sich an diesen Ausdruck. Im Grunde wollte er nur sagen, daß er zeigen werde, wie die Idee der Gottheit entstünde und sich in der Seele des Menschen entwickelte. Das Hauptverdienst der Fichteschen Philosophie ist — die unglaubliche Kraft der Aufmerksamkeit, die sie voraussetzt. Denn er begnügt sich nicht damit, Alles auf die innere Natur des Menschen zu beziehen — auf das Ich, welches die Grundlage aller Dinge ausmacht; sondern er unterscheidet in dem Ich auch noch das Vorübergehende und das Dauerhafte. In Wahrheit, wenn man über die Operationen des Verstandes nachdenkt, so glaubt man seinem Gedanken zu Hülfe zu kommen, so glaubt man ihn wie die Welle verrinnen zu sehen, während der betrachtende Theil unseres Ich unverändert bleibt. Nicht selten begegnet es Personen, welche einen leidenschaftlichen Character mit einem beobachtenden Geist verbinden, daß sie sich leiden sehen und in sich selbst ein über den Schmerz erhabenes Wesen fühlen, das ihn sieht und ihn abwechselnd tadelt oder beklagt. Durch die äußerlichen Umstände unseres Lebens werden fortdauernde Veränderungen in uns bewirkt, und doch behalten wir immer das Gefühl unserer Identität. Was bezeugt denn diese Identität, wofern es nicht durch das sich gleichbleibende Ich geschieht, welches vor seinem Richterstuhl das durch die äußeren Eindrücke abgeänderte Ich vorübergehen sieht?
Dieser unerschütterlichen Seele, die der Zeuge der veränderlichen ist, legt Fichte die Gabe der Unsterblichkeit und die Macht zu schaffen bei, oder, um es noch genauer zu übersetzen, die Macht, das Bild des Universums in sich selbst abzustrahlen. Dieses System, welche alles auf den Gipfel unseres Daseyns stützt, und die Pyramide auf die Spitze stellt, ist schwer zu fassen. Es entkleidet die Ideen der Farben, die so viel dazu beitragen, daß jene verständlich werden; und die schönen Künste, die Poesie und die Betrachtung der Natur verschwinden in diesen Abstraktionen, die sich mit keinem Zusatz von Einbildungskraft und Empfindsamkeit vertragen.
Die äußere Welt betrachtet Fichte nur als einen Markstein unseres Daseyns, auf welchem unser Gedanke arbeitet. In seinem System ist dieser Markstein von der Seele selbst geschaffen, deren fortdauernde Thätigkeit sich an dem von ihr gebildeten Gewebe übt. Was Fichte über das metaphysische Ich schreibt, gleicht ein wenig dem Erwachen der Bildsäule Pygmalions, die, indem sie abwechselnd sich selbst und den Stein befühlt, auf welchem sie aufgestellt ist, ausruft: das bin ich, das bin ich nicht. Aber, als sie, Pygmalions Hand fassend, ausruft: auch das bin ich! da kommt es schon auf ein Gefühl an, welches über den Kreis abstrakter Ideen hinausgeht. Auch vom Gefühl entkleidet, hat der Idealismus den Vorzug, die Thätigkeit des Geistes im höchsten Grade anzuregen; aber Natur und Liebe verlieren durch dies System ihren ganzen Zauber. Denn wenn die Gegenstände, welche wir sehen, und die Wesen, welche wir lieben, nichts weiter sind, als das Werk unserer Ideen: so muß der Mensch selbst als der große Ehelose der Welt betrachtet
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