Ueber Deutschland
antwortet, wie ein Vertrauter, auf alle individuellen Bedürfnisse unseres Herzens. Der Pantheismus im Gegentheil, d. h. die vergöttlichte Natur kann uns für das All keine Religion einflößen, ohne sie über das Universum zu zerstreuen; es concentrirt sie nicht in uns selbst.
Dies System hat zu allen Zeiten sehr viel Anhänger unter den Philosophen gehabt. Der Gedanke strebt immer, noch allgemeiner zu werden, und man nimmt bisweilen die fortgehende Arbeit des Geistes, die Schranken fortzuschaffen, für eine neue Idee. Man glaubt zum Umfassen des Universums zu gelangen, wie man den Raum umfaßt, durch Umsturz der Schranken und durch Entfernung der Schwierigkeiten, ohne diese zu lösen. Aber auf diesem Wege nahet man sich dem Unendlichen nicht. Nur das Gefühl enthüllt uns das Unendliche, ohne es zu erklären.
Was wahrhaft bewundernswerth in der deutschen Philosophie ist, besteht in der Erforschung, die sie uns an uns selbst vollziehen läßt. Sie steigt auf bis zum Ursprung des Willens, bis zur unbekannten Quelle des Stromes unseres Lebens; und hier, die innersten Geheimnisse des Schmerzes und des Glaubens ergründend, klärt sie uns auf und kräftigt uns. Allein alle die Systeme, welche das Universum erklären wollen, können durch kein Wort deutlich zergliedert werden; für Ideen dieser Art giebt es keine passende Worte, und wenn man sie dennoch dazu gebrauchen will: so verbreitet man über die Dinge dieselbe Finsterniß, welche der Schöpfung voranging, keinesweges das Licht, das auf sie folgte. Wissenschaftliche Ausdrücke, an einen Gegenstand verschwendet, auf welchen alle Menschen ein Recht zu haben glauben; empören die Eigenliebe. Diese unverständlichen Schriften geben, wie ernsthaft man auch seyn möge, Veranlassung zum Spott. Denn in der Dunkelheit giebt es immer Misgriffe. Man findet Vergnügen daran, diese Menge von Abstufungen und Einschränkungen, welche dem Verfasser vollkommen heilig sind, welche aber von den Profanen vergessen und vermengt werden, auf einige hauptsächliche Behauptungen zurückzuführen, die nur allzu leicht widerlegt sind.
Die Orientalen sind zu allen Zeiten Idealisten gewesen, und Asien hat nicht die mindeste Aehnlichkeit mit dem mittäglichen Europa. Ein Uebermaaß von Wärme treibt im Morgenlande zur Beschaulichkeit, wie ein Uebermaaß von Kälte im Norden. Die religiösen Systeme der Hindus sind sehr melancholisch und sehr geistvoll, während die Völker des mittäglichen Europa immer einen entschiedenen Hang nach materiellem Heidenthum gehabt haben. Gelehrte Engländer, die in Indien gereiset sind, haben tiefe Untersuchungen über Asien angestellt; und die Deutschen, welche nicht, wie die Herren der Meere, Gelegenheit hatten, sich an Ort und Stelle zu unterrichten, sind, mit Hülfe sorgfältiger Studien, zu höchst anziehenden Entdeckungen über die Religion, die Literatur und die Sprachen der asiatischen Völker gelangt. Sie sind geneigt, nach vielen Anzeigen, zu glauben, daß ehemals übernatürliche Einsichten die Völker dieser Gegenden aufgeklärt haben, und daß davon unvertilgbare Spuren übrig geblieben sind. Die Philosophie der Hindus kann nur von den deutschen Idealisten begriffen werden; die Aehnlichkeit der Meinungen erleichtert das Auffassen.
Nicht damit zufrieden, beinahe alle Sprachen Europa's zu kennen, hat Friederich Schlegel unerhörte Kraft an die Kenntniß dieses Landes, der Wiege der Welt, gesetzt. Das Werk, welches er so eben über die Sprache und die Philosophie der Hindus bekannt gemacht hat, enthält tiefe Blicke und positive Kenntnisse, welche die Aufmerksamkeit aller aufgeklärten Männer von Europa beschäftigen müssen. Er glaubt — und mehrere Philosophen, zu welchen man Bailly rechnen muß, haben dieselbe Meinung gehabt — daß ein Urvolk einige Theile der Erde, besonders aber Asien zu einer Zeit bewohnt habe, welche über alle Denkmäler der Geschichte hinausgeht. Friederich Schlegel findet die Spuren dieses Volks in der geistigen Kultur der Nationen und in der Bildung der Sprachen. Er bemerkt eine ungemeine Aehnlichkeit zwischen den Haupt-Ideen und selbst den sie ausdrückenden Wörtern bei mehreren Völkern der Welt, sogar zu einer Zeit, wo sie, nach allem, was wir von der Geschichte wissen, durchaus in keinen Beziehungen mit einander standen. Friederich Schlegel verwirft die allgemein angenommene Voraussetzung, daß die Menschen mit dem wilden Zustande angefangen, und daß gegenseitige Bedürfnisse die Sprachen allmählig gebildet
Weitere Kostenlose Bücher