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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Religion nicht Einfluß genug verstattet; allein man muß nicht darüber erstaunen, daß er zu einer Zeit, wo sich, besonders in Deutschland, eine affectirte Empfindsamkeit, Empfindelei genannt, verbreitet hatte, welche die Schnellkraft der Geister und der Charaktere schwächte — daß er, sag' ich, in einer solchen Zeit nicht geneigt war, das Gefühl zur Grundlage seiner Moral zu machen. Ein Genius, wie der des Königsberger Philosophen, mußte sich zum Zwecke machen, die Gemüther von neuem zu härten.
    Die deutschen Moralisten der neuen Schule, die in ihren Gesinnungen so rein sind, können, welchem abstrakten System sie auch angehören mögen, in drei Klassen getheilt werden. Nemlich in die, welche, wie Kant und Fichte, dem Pflichtgesetze eine wissenschaftliche Theorie und eine unbeugsame Anwendung haben geben wollen; ferner in die (an deren Spitze Jacobi gestellt werden muß) welche das religiöse Gefühl und das natürliche Gewissen zu Führern nehmen; endlich in die, welche die Offenbarung zur Basis des Glaubens machen, Gefühl und Pflicht zu vereinigen streben, und beide durch eine philosophische Deutung zusammenzuhalten suchen. Diese drei Klassen von Moralisten sind gleich entschiedene Gegner der auf den Eigennutz gegründeten Moral, welche in Deutschland beinahe gar keine Anhänger mehr hat. Das Böse kann man in diesem Lande thun; aber wenigstens muß man die Theorie des Guten unangetastet lassen.
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Siebzehntes Capitel. Ueber den Woldemar.
    Der Roman: Woldemar ist das Werk desselben Philosophen Jacobi, von welchem ich in dem vorhergehenden Capitel geredet habe. Dies Werk enthält philosophische Erörterungen, in welchen die Moral-Systeme französischer Schriftsteller lebhaft angegriffen werden, und Jacobi's eigene Lehre ist darin mit bewundernswürdiger Beredsamkeit entwickelt. In dieser Beziehung ist der Woldemar ein sehr schönes Buch: aber als Roman betrachtet, liebe ich weder den Gang, noch den Zweck desselben.
    Der Verfasser, der, als Philosoph, die ganze Bestimmung des Menschen auf das Gefühl bezieht, malt, wie ich glaube, die Empfindsamkeit in seinem Werke anders, als sie ihrer Wirklichkeit nach ist. Eine übertriebene Zartheit, oder vielmehr eine seltsame Manier, das menschliche Herz aufzufassen, kann in der Theorie interessiren, aber nicht, wenn man sie in Thätigkeit setzt, und wenn man etwas Reelles daraus machen will.
    Woldemar empfindet eine lebhafte Freundschaft für eine Person, die ihn nicht heirathen will, wiewol sie sein Gefühl theilt. Er verheirathet sich mit einer Frau, die er nicht liebt, weil er in ihr einen nachgiebigen und sanften Charakter zu finden glaubt, der für die Ehe paßt. Kaum hat er sie geheirathet, so steht er im Begriff, sich der Liebe zu überlassen, die er für die andere empfindet. Diese, welche sich nicht mit ihm vereinigen wollte, liebt ihn zwar noch immer, aber sie ist empört von der Idee, daß er Liebe für sie haben könnte; und doch will sie an seiner Seite leben, seine Kinder pflegen, seine Frau als Schwester behandeln, und die Naturgefühle nur durch die Sympathie der Freundschaft kennen. Auf dieselbe Weise endigt ein ziemlich gepriesenes Stück von Goethe, Stella betitelt, damit, daß zwei Frauen, welche mit demselben Manne in heiligen Verbindungen stehen, den Entschluß fassen, beide in gutem Einverständnisse bei ihm zu leben. Dergleichen Erfindungen erhalten in Deutschland nur deshalb Beifall, weil in diesem Lande oft mehr Einbildungskraft, als Empfindsamkeit angetroffen wird. Im mittäglichen Europa wissen die Gemüther nichts von diesem Heroismus des Gefühls; die Leidenschaft ist hier ergeben, aber eifersüchtig; und die vorgebliche Zartheit, welche die Liebe der Freundschaft aufopfert, ohne daß die Pflicht es gebietet, erscheint nur als eine manierirte Kälte.
    Alle diese großmüthigen Gefühle auf Kosten der Liebe, sind etwas Gemachtes und Unnatürliches. Weder Duldsamkeit noch Theilung muß gestattet werden in Beziehung auf ein Gefühl, welches nur dadurch erhaben ist, daß es, wie die Mütterlichkeit, oder wie die kindliche Liebe, ausschließend und allmächtig ist. Man muß sich durch eigene Wahl nicht in eine Lage bringen, wo die Moral und die Empfindsamkeit in Disharmonie stehen; denn das Unwillkührliche ist so schön, daß es etwas Abscheuliches ist, sich alle seine Handlungen befehlen, und mit sich selbst, wie mit seinem Schlachtopfer, leben zu müssen.
    Es geschah gewiß nicht aus Heuchelei oder aus

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