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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Unterhaltung ist das Nöthige die Belustigung; denn, wenn man diese Gränze überschreitet, so verfällt man in die Erörterung, in einen ernsten Gedankentausch, der mehr eine Beschäftigung, als eine angenehme Kunst ist. Eingestehen muß man auch, daß der Geschmack und die Berauschung des Gesellschaftsgeistes unfähig machen zu ernsten Anstrengungen und eigentlichen Studien; so daß die Eigenschaften der Deutschen vielleicht in mehreren Beziehungen mit dem Mangel dieses Geistes zusammenhängen.
    Die alten Artigkeitsformeln, noch immer beinahe in ganz Deutschland im Gange, widerstreben der Leichtigkeit und Vertraulichkeit der Unterhaltung. Der magerste Titel (wiewohl dieser sich nicht immer am schnellsten aussprechen läßt) wird zwanzigmal während desselben Mahles gegeben und wiederholt; von allen Gerichten, von allen Weinen muß mit einer Sorgfalt, mit einem Nöthigen angeboten werden, welche den Fremden tödtlich ermüden. Treuherzigkeit ist in allen diesen Gebräuchen; aber sie selbst würden keinen Augenblick in einem Lande stattfinden können, wo man, ohne die Empfindlichkeit zu beleidigen, einen Scherz wagen dürfte. Und doch, wie soll es Anmuth, wie Zauberreiz in der Gesellschaft geben, wenn man sich nicht jene sanfte Spötterei gestattet, welche den Geist aufregt und selbst dem Wohlwollen einen schärferen Ausdruck leihet?
    Der Ideen-Cours ist seit einem Jahrhundert gänzlich durch die Unterhaltung bestimmt worden: Man dachte, um zu sprechen, man sprach, um Beifall einzuerndten, und alles, was nicht gesagt werden konnte, schien in der Seele überflüßig zu seyn. Der Wunsch zu gefallen ist unstreitig eine schätzbare Anlage; allein er unterscheidet sich doch sehr von dem Bedürfniß, geliebt zu werden. Der erstere macht abhängig von der Meinung; das letztere erhebt über dieselbe. Selbst denen, welchen man großes Leid zufügt, kann man zu gefallen wünschen; und gerade dies ist die Gefallsucht, eine Eigenschaft, die nicht den Weibern allein zukommt, die sich vielmehr in allen den Fällen äußert, wo man mehr Gefühl zur Schau trägt, als man wirklich in sich hat. Die Rechtlichkeit der Deutschen gestattet ihnen nichts dergleichen; sie nehmen die Anmuth ganz buchstäblich; sie betrachten den Zauber des Ausdrucks als eine Verbindlichkeit für das gute Betragen. Daher denn ihre Empfindlichkeit; denn sie vernehmen kein Wort, ohne etwas daraus zu folgern, und noch weniger begreifen sie, wie man die Rede als eine freie Kunst behandeln könne, die keinen andern Zweck hat, als das Vergnügen, das man darin findet. Der Unterhaltungsgeist hat bisweilen das Uebele, daß er die Aufrichtigkeit des Characters stört; eine durch den Verstand herbeigeführte, aber immer improvisirte Betrügerei, wenn man sich so ausdrücken darf. Die Franzosen haben in diese Gattung eine Fröhlichkeit gebracht, die sie höchst liebenswürdig macht; aber es ist deswegen nicht minder erwiesen, daß Alles, was diese Welt Ehrwürdiges hat, durch diese Anmuth erschüttert worden ist; wenigstens durch die, welche nichts wichtig findet, und alles ins Lächerliche wendet.
    Die witzigen Einfälle der Franzosen sind von dem einen Ende Europa's bis zum andern angeführt worden. Zu allen Zeiten haben sie ihre glänzende Tapferkeit bewiesen und ihren Kummer auf eine lebhafte und stechende Weise erleichtert; zu allen Zeiten haben sie einer des andern bedurft, wie abwechselnde Zuhörer, die sich wechselsweise aufmuntern; zu allen Zeiten haben sie sich hervorgethan in der Kunst, das Nöthige zu sagen, und selbst in der, da, was Noth thut, zu schweigen, wenn ein großes Interesse ihre natürliche Lebhaftigkeit unterdrückte; zu allen Zeiten haben sie das Talent gehabt, schnell zu leben, lange Reden abzukürzen und denen Platz zu machen, welche nun auch sprechen wollten; zu allen Zeiten haben sie sich darauf verstanden, von Gefühlen und Gedanken nur so viel anzulegen, als zur Belebung der Unterhaltung diente, ohne das leichtfertige Interesse zu ermüden, das man gewöhnlich für einander hat.
    Aus Furcht, ihren Freunden Langeweile zu machen, sprechen die Franzosen immer leichtsinnig von ihrem Unglück; sie errathen die Lästigkeit, die sie verursachen, nach der, die sie selbst empfinden würden; sie beeilen sich, Unbesorgtheit wegen ihres Schicksals zu zeigen, um, anstatt das Beispiel der Gleichgültigkeit zu empfangen, die Ehre zu haben, es selbst zu geben. Das Verlangen liebenswürdig zu scheinen, verführt sie zum Ausdruck der Fröhlichkeit, welches

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