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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Gutmüthigkeit unterstützen. Nur ausgezeichnete Menschen verstehen in Deutschland zu schwatzen, während in Frankreich jeder sich damit befaßt. In Frankreich sind die vorzüglichen Geister nachsichtig, in Deutschland sind sie strenge; dafür aber sind die Albernen unter den Franzosen verläumderisch und eifersüchtig, und die Deutschen, wie begränzt sie auch seyn mögen, zeigen sich noch immer beifällig und verwundert. Die in Deutschland umlaufenden Ideen sind neu und oft neckisch; und daher kommt es, daß diejenigen, die sie wiederholen, eine Zeit lang eine Art von angemaßter Tiefe zu haben scheinen. In Frankreich täuscht man über seinen Werth nur durch Manieren. Diese sind angenehm, aber einförmig, und das unveränderliche Richtmaaß des guten Tones nimmt ihnen vollends alle Mannigfaltigkeit , die sie haben könnten.
    Ein Mann von Geist erzählte mir, daß, als er eines Abends auf einem Maskenball vor einem Spiegel vorbeiging, und darüber ungewiß war, wie er sich unter dem Haufen Derer, die denselben Domino trugen, wieder erkennen sollte, er zu diesem Zweck sich selbst zunickte. Dasselbe könnte man von dem Putze sagen, den der Geist in Umgang anlegt. Man vermengt sich beinahe mit den Uebrigen, so wenig offenbart sich der Character des Einzelnen. In dieser Vermengung befindet sich die Albernheit wohl; denn sie möchte sie benutzen, das wahre Verdienst streitig zu machen. Dummheit und Albernheit unterscheiden sich wesentlich dadurch, daß die Dummen sich der Natur willig unterwerfen, und daß die Albernen sich immer einbilden, die Gesellschaft zu beherrschen.
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Eilftes Capitel. Von dem Geist der Unterhaltung.
    Wenn man sich im Morgenlande einander nichts zu sagen hat, so raucht man Taback zusammen, und begrüßt sich von Zeit zu Zeit mit verschränkten Armen, um sich ein Freundschaftszeichen zu geben; im Abendlande hingegen hat man den ganzen Tag mit einander reden wollen, und die Folge davon ist, daß der Heerd der Seele sich in dieser Unterhaltung zerstreut, worin die Eigenliebe in unabläßiger Bewegung ist, um sowohl nach dem Geschmack des Augenblicks als des Zirkels, in welchem man sich befindet, immer und auf der Stelle zu wirken.
    Es dürfte anerkannt seyn, daß von allen Städten der Welt Paris die ist, wo der Geist und Geschmack der Unterhaltung am meisten verbreitet sind; und was man Heimweh nennt – diese unbestimmte Sehnsucht nach dem Vaterlande, die unabhängig ist selbst von den Freunden, welche man daselbst zurückgelassen hat – findet seine Anwendung vorzüglich auf das Vergnügen, mit einander zu schwatzen; ein Vergnügen, das die Franzosen nirgends in demselben Grade antreffen, als bei sich. Volney erzählt, daß Franzosen, welche während der Revolution ausgewandert waren, in Amerika eine Kolonie errichten und Ländereien urbar machen wollten; aber von Zeit zu Zeit verließen sie ihre Beschäftigungen, um, wie sie sagten, in der Stadt mit einander zu schwatzen, und diese Stadt, New-Orleans, war sechs hundert Stunden von ihrem Wohnort entfernt. In allen Volksklassen Frankreichs fühlt man das Bedürfniß zu schwatzen: die Rede ist hier nicht blos, wie anderwärts, das Werkzeug zur Mittheilung von Ideen, Gefühlen, Angelegenheiten; sie ist zugleich ein Werkzeug, womit man spielt, und das die Lebensgeister eben so anfrischt, wie die Musik bei einigen, und die starken Getränke bei andern Völkern.
    Die Art des Wohlseyns, welche eine belebte Unterhaltung gewährt, besteht gerade nicht in dem Gegenstande dieser Unterhaltung; nicht die Ideen und die Kenntnisse, die man darin entwickeln kann, bilden das Haupt-Interesse. Dies geht hervor aus einer gewissen Manier auf einander zu wirken, sich gegenseitig und rasch Vergnügen zu machen, so schnell zu sprechen, als man denkt, sich selbst mit Wohlgefallen zu empfinden, Beifall ohne Anstrengung einzuerndten, seinen Verstand in allen Abstufungen durch Ton und Gebehrde und Blick zu offenbaren, und, nach Belieben, eine Art von Zitterstoff hervorzubringen, dessen sprühende Funken die Lebhaftigkeit der Einen mäßigt und die unangenehme Apathie der Andern verbannt.
    Diesem Talente aber ist nichts so fremd, wie der Character und die Geistesart der Deutschen. Sie wollen in allen Stücken ein ernstes Ergebniß. Bacon hat bemerkt: die Unterhaltung sey nicht ein Weg, der nach Hause führe, wohl aber ein Pfad, auf welchem man sich auf gut Glück ergeht. Allen Dingen geben die Deutschen die nöthige Zeit; aber in Sachen der

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