Ueber Deutschland
hat.
Herr von Humboldt sagt in seinen wissenschaftlichen und poetischen Ansichten vom mittäglichen Amerika: er sey Zeuge gewesen von einem, in Aegypten betrachteten Phänomen, das man Mirage nennt. Plötzlich nimmt, in den allertrockensten Steppen, der Wiederschein der Luft den Schein der See oder des Meeres an, und die Thiere selbst, lechzend vor Durst, werfen sich auf diese trügerischen Bilder, indem sie sich zu erquicken glauben. Die mannigfaltigen Gestalten, welche der Frost auf dem Glase zeichnet, bieten ein neues Beispiel dieser wunderbaren Analogie dar; die verdichteten Dünste bilden Landschaften, gleich denen, die man in mitternächtlichen Gegenden bemerkt: Fichtenwälder und struppige Berge erscheinen in dieser weißen Farbe; und die erstarrte Natur macht fröhlich nach, was die belebte hervorgebracht hat.
Doch nicht genug, daß die Natur sich selbst wiederholt, auch die Werke der Menschen scheint sie nachmachen zu wollen, um ihnen, aus diese Weise, einen auffallenden Beweis ihrer Uebereinstimmung mit ihnen zu geben. Man erzählt, daß auf den benachbarten Inseln von Japan die Wolken den Blicken regelmäßige Gebäude darstellen. Auch die schönen Künste haben ihren Typus in der Natur, und dieser Luxus der Existenz wird von ihr noch sorglicher behandelt, als das Daseyn selbst. Die Symmetrie der Formen im Pflanzen- und Mineralreich hat den Baukünstlern zum Modell gedient, und der Widerschein der Gegenstände und Farben in der Welle giebt die Idee von den Täuschungen der Malerei; der Wind, dessen Gemurmel sich unter zitternden Blättern verlängert, offenbaret uns die Musik. Man sagt sogar, daß auf den Küsten Asiens, wo die Atmosphäre reiner ist, man des Abends eine klagende und sanfte Harmonie vernehme, welche die Natur an den Menschen zu richten scheint, um ihm zu sagen, daß sie athmet und liebt und leidet.
Oft, beim Anblick einer schönen Gegend, geräth man in die Versuchung zu glauben, ihr einziger Zweck sey, erhabene und edle Gefühle in uns anzuregen. Irgend ein Verhältniß findet Statt zwischen den Himmeln und dem Stolz des Herzens, zwischen den Strahlen des Mondes, welche auf dem Gebirge ruhen, und der Heiterkeit des Gewissens. Solche Gegenstände reden eine schöne Sprache, und man kann sich den Bebungen, die sie verursachen, ohne Scheu hingeben; das Gemüth befindet sich wohl dabei. Wenn, des Abends, am äußersten Rande einer Landschaft, der Himmel die Erde so nahe berührt: so bildet sich die Fantasie jenseits des Horizonts einen Zufluchtsort der Hoffnung, ein Vaterland der Liebe, und die Natur scheint schweigend zu wiederholen, daß der Mensch unsterblich ist.
Die fortdauernde Reihenfolge von Tod und Entstehung, wovon die physische Welt die Schaubühne ist, würde den allerschmerzlichsten Eindruck verursachen, wenn man hierin nicht die Spur von der Wiederauferstehung aller Dinge zu sehen glaubte; und diese Art die Natur zu betrachten, ist der wahrhaft religiöse Gesichtspunkt, aus welchen sie betrachtet seyn will. Man würde zuletzt vor lauter Mitleid sterben, wenn man sich auf die furchtbare Idee des Unersetzlichen beschränken müßte: kein Thier stirbt, ohne daß man es bedauern könnte, kein Baum sinkt, ohne daß der Gedanke, man werde ihn in seiner Schönheit nicht wieder sehen, in uns nicht ein schmerzliches Gefühl anregte. Selbst die unbelebten Gegenstände thun wehe, wenn ihr Verfall zu einer Trennung von ihnen nöthigt: das Haus, die Geräthschaften, welche Personen, die wir liebten, gedient haben, finden unsere Theilnahme, und diese Gegenstände selbst erregen in uns eine Art von Sympathie, die ganz unabhängig ist von den Erinnerungen, welche sie aufrufen. Man bejammert die Form, die ihnen eigen war, gerade als ob diese Form sie zu Wesen machte, die, weil sie uns haben wachsen sehen, uns auch sterben sehen müßten. Wenn die Zeit nicht die Ewigkeit zum Gegengifte hätte, so würde man sich anklammern an jeden Augenblick, um ihn fest zu halten, an jeden Ton, um ihn zu binden, an jeden Blick, um seinen Glanz zu verlängern; und die Genüsse würden nur den Augenblick da seyn, welcher nöthig ist, um ihr Vorüberrauschen zu fühlen und ihre Spuren mit Thränen zu benetzen, welche der Abgrund der Tage eben so verschlingen würde.
Ein neuer Gedanke ist mir aufgefallen in Schriften, die mir von einem Manne mitgetheilt sind, dessen Einbildungskraft sinnig und tief ist. Er vergleicht die Ruinen der Natur, die der Kunst und die der Menschheit. „Die ersteren, sagt er, sind
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