Ueber die Verhaeltnisse
›Mannsbild her, Mannsbild hin, vergiß nicht, sie ist deine Mutter.‹
Als wir dann allein geblieben waren, hat die Mutter es doch noch mit einem Ausbruch versuchen wollen. ›So ist das also‹, hat sie, sich aufsetzend, angefangen, aber ich bin ihr ins Wort gefallen und habe gesagt ›verzeih, daß ich dich gekränkt habe, aber es ist nicht anders gegangen …‹, was die Mutter offenbar erst recht gereizt hat, aber bevor sich noch mehr Groll Luft machen hat können, hat die Mutter sich plötzlich zurückgelehnt und auf meine Hand gestarrt, und ich begriff gar nicht gleich, daß die Mutter den Ehering ins Auge gefaßthatte. Dann aber hat sie meine Hand genommen, den Ring berührt und kopfschüttelnd gemeint: ›So was habe ich nie getragen. Stört es dich nicht gelegentlich?‹ Und gerade diese ihre beinah unschuldige Verwunderung ist mir in die Knie gefahren, so daß ich, als du an die Tür klopftest, kaum aufstehen konnte, so wacklig bin ich mir vorgekommen und in meinem Gefühl getroffen.«
Ayhan hielt Frôs Hand, die auf der Bettdecke ruhte, und drehte leicht an ihrem Ring, als sei es ein Wunschring. Frô lag mit ihrem ganzen Gewicht auf seiner rechten Körperhälfte und hatte in sein Ohr gesprochen. Jetzt legte sie den Kopf an seinen Hals, und er sagte, er habe befürchtet, ihre Mutter würde ihn mit einem einzigen souveränen Blick aus dem Zimmer schicken, doch dann habe sie ihn nur angesehen, mit so etwas wie Fassungslosigkeit im Augengrund, und er habe darin bloß den Satz gelesen: »Das ist es also!« Dann aber habe sich ihre Mutter zusehends von der kleinen Konfrontationsschwäche erholt, und so, wie sie wiederum nach ihrer, Frôs, Hand gegriffen habe, habe er sogleich verstanden, was sie ihm damit bedeuten wollte, nämlich daß sie noch keineswegs aufgegeben habe, daß sie im Gegenteil noch kämpfen werde. Und es sei ihm so vorgekommen, als wisse sie, daß er das wisse.
»Kämpfen?« Frô stützte sich auf die Ellbogen, die sie gegen Ayhans Schlüsselbeine drückte.
»Ich nehme an, du wirst sie zumindest begleiten müssen«, sagte Ayhan.
»Begleiten?«
»Du wirst sie nach Hause begleiten und ein Weilchen bei ihr bleiben müssen, bis sie ganz gesund ist.« Ayhan strich mit dem Zeige- und dem Mittelfinger über Frôs Wirbelsäule. Sie zuckte leise, aber es war das beste Mittel gegen Tränen.
»Und warum werde ich das müssen?«
»Weil sie es sonst möglicherweise als zu große Niederlage empfände und nicht mehr gesund werden würde.« In Frô lieferten sich Vergangenheit und Gegenwart eine Auseinandersetzung voller Ressentiments.
»Eine Art von Erpressung, oder?« flüsterte sie in Ayhans Achselhöhle.
»Sie ist um dich krank«, sagte Ayhan, und insgeheim war er stolz auf seine Strategie. Er wußte, daß auch er kämpfte, und nur wenn er jetzt verzichtete, war es möglich, Frô von jener anderen Liebe, die sich schon wieder um sie zu schließen drohte, zu entbinden. Alle List der Welt war hier vonnöten. Und er dachte an seine eigene Mutter und inwieweit sie wohl Partei ergriffen haben würde, wenn sie noch lebte.
Er würde auf jeden Fall großzügig erscheinen und so alles für sich entscheiden. Jetzt, wo er diese junge Frau tatsächlich liebte, wäre er sogar des Mordes fähig, um sich die Vertrautheit zwischen ihnen beiden zu erhalten. Des Mordes und jeglicher Niedertracht. Er, Klemens Ayhan Heyn, war ein gerissener Verhandler, ein weitblickender Taktierer und kein Affekttäter. Er war einer, der durchhielt, wenn das Ziel ihm erreichenswürdig genug erschien. Und er hatte endlich eine Gefährtin gefunden, die er zur Komplizin machen würde über all die kommenden Jahre hin. Und er wollte es so heftig, daß er alles, bis auf seine berufliche Laufbahn, dafür gefährdet hätte. Und vielleicht sogar die, aber noch gab es keinen Anlaß, auch daran zu denken.
»Wenn man sich hier so umschaut«, schreibt Borisch an Edvard, »merkt man, daß schon was dahintergesteckt hat. Ich sage Dir: Vitalität, Taktik und Beweglichkeit. Und aus dem,was sich museal hier bietet, muß man schließen, daß da auch von so was wie Kultur die Rede war, egal ob Dir und mir diese Möglichkeit schmeckt. Und langsam gewöhne ich mich sogar an die Vorstellung, daß unsere Siebenbürger Fürsten hier ein und aus gegangen sind, um ihre Intrigen in Gang zu setzen. Die großen Freiheitshelden – ständig haben sie mit dem Sultan gepackelt. Irgendwann sollte ich noch nach Redosto (es heißt jetzt Tekirdağ), wo der große
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