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Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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noch
bevor ich aus der Zeitung erfahren habe, was mit Tanja passiert
ist. Die haben
mir gesagt, er fehle seit Mittwoch. Unentschuldigt.« Sie
schluchzte wieder. »Das ist überhaupt nicht seine Art.
Seitdem hab ich pausenlos versucht, ihn zu erreichen. Ich hab sogar
seine Eltern angerufen, aber die wußten auch
nichts.«
    »Irgendwas
über einen verblichenen Ex-Juwelier in der Zeitung
gelesen?« fragte Max.
    Christine stöhnte
auf, aber weder ihr noch Margit oder Sonja war etwas Entsprechendes
aufgefallen.
    »Hast du
überhaupt keine Idee, wo er stecken könnte?« fragte
Max.
    Christine
schüttelte den Kopf.
    »Denk
nach«, sagte Max eindringlich. »Freunde, Verwandte,
Arbeitskollegen, was weiß ich.«
    Christine
grübelte. Wenn sie in dem Tempo Haare schnitt, waren die links
schulterlang nachgewachsen, während sie rechts die letzten
Spitzen kappte.
    »Im
Frühjahr sind Henning und Tanja mal an die Bever
gefahren«, sagte Sonja plötzlich. »Seine Tante hat
da einen Wohnwagen.«
    Max beugte sich vor.
»Wo genau?«
    »Das war so 'n
komischer Name.« Sonja legte ihre Stirn in Falten.
»Total bescheuert. Wir haben uns darüber noch kaputt
gelacht.«
    Die Luft knisterte. Um
Sonja nicht zu irritieren, stellte Max sogar die Atmung
ein.
    Aber nur für
einen Zug, denn dann sagte Margit: »War's die Zornige
Ameise?«
    »Genau«,
rief Sonja.
    »Einen Versuch
wäre es wert«, sagte Max. »Fährst du
mich?«
    Margit nickte.
»Bevor ich dich noch mal ans Steuer
laß.«
    Christine und Sonja
bestanden darauf, mitzukommen. Max hatte nichts dagegen. Im
Gegenteil. Immerhin waren die beiden Mädchen die einzigen, die
wußten, wie Henning aussah.
    Während Margit
die Ente in Richtung Hückeswagen lenkte, hing Max im
Beifahrersitz und stierte aus dem Fenster. Ein Gedanke ließ
ihn nicht mehr los.
    Die Möglichkeit,
daß Henning zwar nicht den Juwelier umgebracht hatte, aber
dafür Tanjas Mörder war.

18
    »Jugend- und
Familiencampingplatz II« stand auf dem Schild. Margit parkte
die Ente am Straßenrand, gegenüber der Zufahrt. Alle
vier stiegen aus. Die Sonne brüllte vom
Himmel.   
    Gegenläufige
Menschenströme, kanalisiert vom Hauptdurchgangsweg. Der eine
Strom wogte bergab, wo die Mittagssonne die Bever wie ein
Quecksilbersüppchen in der Terrine schimmern ließ. Der
andere Strom, der seine Tagesration Kolibakterien bereits intus
hatte, schob sich bergauf. Mütter mit Zellulitis, bepackt mit
Kühlbox und geflochtener Badetasche. Quengelnde Kleinkinder im
Dino-Schwimmreifen. Rotgesichtige Väter mit Baseballkappe und
in unbeschreiblich gemusterten Shorts, über denen schwere
Bierbäuche brüteten. Zehnjährige, die mit gelben
Wasserkanonen herumspritzten und sich dafür Ohrfeigen fingen.
Wer nicht unterwegs war, grillte.
    »Wie heißt
die Tante?« fragte Max.
    Synchrone Mimik bei
Christine und Sonja. Sie wußten es nicht.
    »Das kann ja
heiter werden«, sagte Max. »Wißt ihr wenigstens,
wie Henning mit Nachnamen heißt?«
    »Pryzbilla«, sagten
die Mädchen gleichzeitig.
    »Wie?«
    »P-r-y-z-b-i-l-l-a«,
buchstabierte
Christine.      
    In der winzigen
Holzbude neben der hochgeklappten Schranke saß ein
kahlköpfiger Mann mit Segelohren und schwitzte
fürchterlich. In seinem Mundwinkel klebte ein erkalteter
Stumpen.
    Max schob seine
Sonnenbrille auf die Stirn. »Ganz nett warm heute,
was?«
    »Grausam«,
keuchte der Mann.
    »Ich suche den
Stellplatz der Pryzbillas«, sagte Max.
    »Dauercamper?« Der
Mann griff nach einer speckigen Liste.
    Max bestätigte.
Ein Zeigefinger wanderte die Liste runter. Nur zwei fingen mit P
an. Der eine hieß Plasberg, der andere Prescher.
    »Was für 'n
Wagen fahren denn die Leute?«
    Max gab die Frage
weiter. Christine sagte, einen kleinen Japanflitzer, Sonja meinte,
der Wagen sei ein Opel und tierisch breit. Einig waren sie sich,
daß er dunkelgrau oder dunkelblau war.
    Der Mann verzog den
Mund. »Nee. So einen gibt's hier nicht.«
    »Vielleicht… «,
hauchte Christine.
    »Was?«
fragte Max.
    Zögernd und
vorsichtig nahm sie etwas aus ihrer Handtasche. Flach, weiß
und rechteckig. Wie ein Stück Karton.
    »Ein
Foto?« fragte Max. Christine wurde puterrot, senkte den Kopf
und nickte.
    Mit der gebotenen
Behutsamkeit nahm Max ihr das Foto aus der Hand. Henning sah aus
wie der junge Ilja Richter, nur die Nase war länger. Der Mann
erkannte ihn sofort.
    »Der Neffe von
Hasenclevers Gertrud«, sagte er, und dann folgte die
chaotischste Wegbeschreibung, die Max je gehört hatte. Nicht
einmal

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