Ueber die Wupper
bezüglich der Himmelsrichtung herrschte
Klarheit.
Margit und Max gingen
voran, die beiden Mädchen zottelten hinterher. Mit einem
Werbeblättchen, das sie einem Ständer neben der Holzbude
entnommen hatte, fächelte Margit sich Luft zu. Max zog die
Lederjacke aus und trug sie am Zeigefinger über der Schulter.
Eingekeilt im Strom derer, die dem Wasser zustrebten, brauchten sie
fast fünf Minuten bis zum Ufer.
»Wir müssen
nach links«, sagte Max.
»Würdest du
drauf wetten?« fragte Margit.
Bevor er antworten
konnte, rief Christine: »Henning, huhu!«
Max fuhr herum.
Christine stand auf den Zehenspitzen und winkte in Richtung
Bootssteg. Max kniff die Augen zusammen.
Ilja Richters
Doppelgänger trug einen weiß-gelben Trainingsanzug und
stand mit einer Plastiktüte in der Hand vor einem der
Mülleimer, die am Anfang des Stegs aufgestellt waren. Keine
dreißig Meter entfernt. Irritiert blickte er sich um,
entdeckte Christine und machte einen Schritt in ihre
Richtung.
»Henning!«
Diesmal war es Sonja.
Jetzt zögerte
Henning und blieb stehen. Als sich auch noch Max in Bewegung setzte
und auf ihn zuging, war das zuviel. Henning machte einen Schritt
rückwärts, drehte sich um und lief los.
Max, im Slalom um die
Leute herum, hinterher. Er rempelte eine Frau an, die daraufhin wie
eine vollschlanke V1 in die Kaffeetafel einer Camperfamilie
einschlug. Gezeter. Rufe nach der Polizei und feuchten Lappen. Als
Max die Mülleimer passierte, hatte Henning bereits das Ende
des Stegs erreicht, bückte sich und machte eine Jolle los. Max
ließ die Lederjacke fallen und legte zu. Hart hämmerten
die Stiefel auf die Planken. Schon nach der halben Strecke brannten
ihm die Füße.
Henning turnte in die
Jolle, stieß das Boot ab, nahm ein Paddel in die Hand und
stach damit ins Wasser. Max trudelte am Ende des Stegs aus. Derweil
hatte sich die Jolle bereits gut zehn Meter entfernt, und Henning
versuchte, das Segel zu hissen.
Von einem Bein aufs
andere hüpfend, entledigte sich Max seiner Stiefel und der
Socken, warf die Sonnenbrille dazu und hechtete ins Wasser. Ein
Schock. Das Wasser war kälter als erwartet.
Wieder an der
Oberfläche, begann er zu kraulen. Der Abstand zur Jolle
verringerte sich. Henning turnte herum und zerrte an verschiedenen
Leinen, aber das Segel blieb auf Halbmast hängen. Als Max bis
auf zwei Körperlängen herangekommen war, griff Henning
wieder zum Paddel.
Plötzlich war da
eine 470er mit einem dösenden Steuermann und rammte Hennings
Jolle in voller Fahrt. Mit einem Schrei ging Henning über
Bord. Durch den Aufprall abgelenkt, nahm die 470er Kurs auf
Max.
Max tauchte. Dem Rumpf
entging er. Dafür schlug ihm das Schwert vors Schienbein. Als
er auftauchte, knallte er mit dem Kopf gegen Hennings
Jolle.
Ziemlich benebelt
schwamm Max im Kreis. Margit stand am Rand des Stegs und schrie ihm
etwas zu, das er aber nicht verstand. Als er schließlich
kapierte, war es fast zu spät.
Verzweifelt um sich
schlagend versuchte Henning, sich über Wasser zu halten, ging
aber immer wieder unter. Mit drei Zügen war Max bei ihm. Bevor
er Henning in den Rettungsgriff nehmen konnte, hatte der ihm
bereits die Arme um den Hals geschlungen und zog ihn mit sich unter
Wasser. Henning strampelte und strampelte und rammte Max das Knie
in die Rippen. Kaum waren sie wieder an der Oberfläche,
hängte Henning sich erneut an Max. So ging das
nicht.
Mit einem Ruck
befreite sich Max aus Hennings Umklammerung, schnellte aus dem
Wasser und und knallte ihm eine linke Gerade auf die Nase. Mit
rechts hätte mehr dahinter gesessen, aber für den
absaufenden Jungbanker reichte es auch so.
Henning verdrehte die
Augen und wurde schlaff.
19
Die Innenausstattung
von Tante Gertruds Wohnwagen hielt, was die Gartenzwerge und der
Wasser pinkelnde Terrakottaknabe auf dem Kunstrasenrechteck unter
dem Vorzeit versprochen hatten. Gelsenkirchner Barock, Troddeln an
den Vorhängen, Quasten an den Lampenschirmen, allenthalben
Zierdeckchen und bestickte Kissenbezüge. Aber der Wagen war
geräumig. Die ganze Truppe fand auf der Rundsitzgruppe im Heck
Platz.
Hennings Nase blutete,
und er lag in eine Patchwork-Decke gehüllt flach. Den Kopf in
Christines Schoß gebettet, die ihm das Haar zurückstrich
und Max mit vorwurfsvollen Blicken bedachte. Margit hatte den
Gasbrenner in Gang gebracht und kochte Wasser für den
Löskaffee. Sonja blätterte ziemlich lustlos in einem
Perry-Rhodan-Heftchen, enttäuscht, daß keine Bilder drin
waren. Max hatte
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