Ueber die Wupper
Es war
schrecklich.«
»Und was stand
über Huberty drin?«
»Nichts. Kein
Wort. Er ist wohl noch nicht gefunden worden.«
»Lebte er
allein?« hakte Max nach.
»Keine
Ahnung.«
»Wie hast du
festgestellt, daß er tot war?«
»Er hat nicht
mehr geatmet.«
»Hast du seinen
Puls gefühlt?«
»Nein. Ich hab
bloß gemacht, daß ich wegkam.«
»Wie spät
ist es?«
Margit blickte auf
ihre Armbanduhr. »Gleich halb drei.«
»Das
reicht«, sagte Max. »Machen wir einen Besuch bei einem
toten Juwelier.«
20
Das Verdeck war
geöffnet, und an der Antenne flatterte Max' T-Shirt. Die
Lederjacke auf der nackten Haut scheuerte zwar, aber sie war
wenigstens trocken. Dazu trug Max eine von Hennings Jogginghosen.
Seine Jeans lagen im Kofferraum.
Henning hockte auf dem
Rücksitz zwischen den beiden Mädchen und wies Margit den
Weg. Fünf Personen in einer Ente war eigentlich schon
Gruppensex, aber Hennings keilförmiger Fiat war ein Zweisitzer
und damit ausgeschieden. Und Henning selbst ans Steuer zu lassen,
war Max zu riskant.
Die Fahrt ging
über die L101 im Bogen um den Altenberger Dom herum und
unmittelbar dahinter rechts ab, auf die Hauptstraße Richtung
Blecher. Dann sofort wieder links. Am Rösberg. Vorbei am
Restaurant Post. Am Berg ein kleiner Friedhof. Drei einzeln
stehende Häuser am Ende der Sackgasse.
Wo der geteerte Teil
endete, stoppte Margit, und Max fragte Henning: »Welches
Haus?«
»Das
Fachwerkhaus.«
»Ihr fahrt
zurück zum Parkplatz und wartet da«, sagte Max und stieg
aus. »Je weniger Aufsehen, desto besser.«
»Falls er auf
dich auch mit dem Kamineisen losgehen sollte, keine Sorge«,
sagte Margit. »Ich bin in Erster Hilfe
ausgebildet.«
Sie grinste, wendete
den Wagen und fuhr zurück.
Der unbefestigte Weg
knirschte unter Max' Stiefeln. Auf dem nahegelegenen Sportplatz
wurde gekickt. Blaue gegen rote Trikots. Die Blauen hatten den
Ball.
Das Haus war ein
Klassiker. Der minutiöse Nachbau eines altbergischen Kottens.
Frisch geweißte Wände durchzogen von schwarzem Fachwerk.
Alte Stämme. Selbst das Siel war da. Das Seelchen. Die
gerissene, nicht gesägte Steile in traditionell bearbeiteten
Stämmen. Mußte ein Vermögen gekostet
haben.
Die Tür war ein
geschnitztes Portal. Den Türbalken zierte eine Inschrift:
Jacques Huberty, Juwelier von Burscheid, hat dieses Haus erbaut
a.d. 1974. Der Herr segne unseren Aus- und Eingang von nun an bis
in Ewigkeit. Auch nur fromme Wünsche. In Tanjas Fall hatte es
der Herr an Obhut fehlen lassen.
Max läutete und
wartete. Nichts. Noch einmal. Wieder nichts.
Er ging links um das
Haus herum. Ein großes Fenster. Max spähte hindurch in
eine Küche. Sie war aufgeräumt und menschenleer. Das
nächste Fenster war kleiner und saß etwas höher.
Und es stand offen.
Max packte den Sims,
zog sich hoch und steckte den Kopf durchs Fenster. Das Klo. Niemand
saß drauf. Max strampelte und zwängte sich durch den
Rahmen. Kopfüber ließ er sich hinunter und stützte
sich dabei auf dem Klodeckel ab. Schließlich landete er auf
dem plüschigen Vorleger.
Der Flur war gefliest
und mit Schuhschrank, schmiedeeisernen Garderobenhaken und Spiegel
ausgestattet. Rechts lag die Haustür, nebenan die Küche.
Die Tür gegenüber führte in den Keller. Blieb die
Tür links. Max drückte die Klinke und zog sie vorsichtig
auf.
Sonnenlicht
durchflutete ein großzügig geschnittenes Wohnzimmer.
Weißer Rauhputz statt Tapete. An den Wänden
Arbeitsgeräte vergangener Tage. Zangen, Zahnräder, ein
Schott, Hämmer. Inmitten dieser malerischen Derbheit prangte
etwas verloren die Nachbildung eines Dreipaß aus dem
Westfenster des Altenberger Doms. Ein musizierender Engel.
Bleiverglast und bunt wie das Original. Auf einer eher
düsteren, mit Schnitzereien verzierten Anrichte stand eine
gewaltige zinnene Dröppelmina, flankiert von zwei
Steingutkrügen mit Löwenwappen. Neben der Anrichte ein
Sekretär, schwer wie der Bär im Herbst. Darauf in leicht
speckigem Ledereinband mit Goldprägung »Die Heilige
Schrift«.
Neben der
Terrassentür eine Black-Triniton-Glotze auf Stand-by und
daneben ein Rack mit Hifi-Anlage. Auf dem Plattenteller drehte sich
eine LP, der Tonarm hatte etwa die halbe Strecke geschafft. Eine
Bachsche Kantate. Mein Gott, wie lang, ach lange. Harnoncourt
dirigierte, und der Bad Tölzer Knabenchor sang. Nur war kein
Laut zu hören.
Und plötzlich
fuhr Max der Schreck in die Glieder.
In dem ledernen
Ohrensessel, der mit dem Rücken zu ihm stand, saß ein
Mensch, wenn
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