Über Gott und die Welt
die Form der Botschaft oder ihre Inhalte oder sogar die Struktur des Codes – ein bekannter Gedanke in der Ästhetik, wo man weiß, daß die Wahl des künstlerischen Materials die Rhythmen des Geistes und sogar des Themas determiniert).
Alle diese Formeln zeigen, daß es nicht stimmt, wenn McLuhan behauptet, die Informationstheoretiker hätten sich immer nur mit dem Inhalt der Information beschäftigt, ohne sich um die Probleme der Form zu kümmern. Abgesehen davon, daß McLuhan auch hier mit Defi nitionen spielt und den Terminus
»Inhalt« in zwei verschiedenen Bedeutungen benutzt (für ihn bedeutet er »das, was gesagt wird«, für die Informationstheorie dagegen »die Anzahl der notwendigen Ja-Nein-Entscheidungen, um etwas zu sagen«), zeigt sich, daß die Kommunikationstheorie, indem sie die verschiedenen Phasen des Informationsganges formalisiert, nützliche Instrumente zur Unterscheidung von Phänomenen liefert, die verschieden sind und als verschieden betrachtet werden müssen.
Durch die Vereinigung all dieser Phänomene in seiner
Einheitsformel sagt uns McLuhan nichts Nützliches mehr.
Selbst wenn er zum Beispiel so interessante Dinge aufdeckt, wie daß die Erfi ndung der Schreibmaschine, da sie die Frauen als Stenotypistinnen in die Büros trieb, die Fabrikanten von Spucknäpfen in die Krise stürzte, wiederholt er nur das evidente Prinzip, daß jede neue Technik Veränderungen im sozialen Körper bewirkt. Gerade angesichts dieser Veränderungen wäre es aber höchst nützlich zu wissen, wie und wodurch sie jeweils entstehen: ob durch einen neuen Kanal, einen neuen Code, eine neue Artikulationsweise des Codes, ob durch das, was die Botschaft besagt, indem sie den Code artikuliert, oder durch die Bereitschaft einer bestimmten Gruppe, die Botschaft zu empfangen.
Daher nun hier eine Gegenthese: Das Medium ist nicht die Botschaft; zur Botschaft wird das, was der Empfänger zur Botschaft werden läßt, indem er es seinen eigenen Empfangscodes anpaßt, die weder mit denen des Senders identisch sind noch mit denen des Kommunikationswissenschaftlers. Das Medium ist nicht die Botschaft, denn für den Kannibalenhäuptling ist der Wecker nicht Ausdruck seiner Entschlossenheit, die Zeit zu verräumlichen, sondern ein kinetischer Halsschmuck. Wenn das Medium die Botschaft ist, bleibt uns nichts mehr zu tun, und wir sind (die Apokalyptiker wissen es) nur noch Sklaven der Instrumente, die wir geschaffen haben. Aber die Botschaft ist abhängig von der Deutung, die man ihr gibt, im Universum der Elektrizität ist noch Platz für eine Guerilla. Es kommt darauf an, die Rezeptionsperspektiven zu differenzieren: nicht die Fernsehanstalten zu besetzen, sondern den ersten Platz vor jedem Fernsehapparat. Mag sein, daß es wahr ist, was uns McLuhan predigt (im Chor mit den Apokalyptikern), aber dann haben wir es mit einer sehr schlimmen Wahrheit zu tun, und da die Kultur zum Glück in der Lage ist, sich ungeniert andere Wahrheiten zu erschaffen, lohnt es sich, eine produktivere vorzuschlagen.
Zum Schluß noch drei Fragen zur Nützlichkeit einer Lektüre McLuhans.
Schafft man es überhaupt, Understandig Media zu lesen? Ja, denn der Autor scheint uns zwar mit einer enormen Fülle von Daten zu überfallen (Alberto Arbasino hat brillant insinuiert, dieses Buch sei von Bouvard und Pécuchet geschrieben), doch die zentrale Information, die er uns gibt, ist eine einzige: Das Medium ist die Botschaft. Er wiederholt sie mit einer Beharrlichkeit sonder-gleichen und mit absoluter Treue zum Diskurs-Ideal der oralen Stammesgesellschaften, zu denen er uns einlädt: »Die ganze Botschaft wird immer wieder auf den konzentrischen Kreisen einer Spirale und mit scheinbarer Redundanz wiederholt.« Nur eine Anmerkung: Die Redundanz ist nicht scheinbar, sondern wirklich.
Wie bei den besten Produkten der Unterhaltungsindustrie dient der Reigen begleitender Informationen einzig dem Zweck, eine bis zum Überdruß wiederholte zentrale Struktur genießbar zu machen, so daß der Empfänger immer nur das empfängt, was er bereits gewußt (oder kapiert) hat. Die Zeichen, die McLuhan deutet, beziehen sich alle auf etwas, das er uns von vornherein mitgeteilt hat.
Lohnt es sich, wenn man Autoren wie Sedlmayr gelesen hat, Autoren wie McLuhan zu lesen? Ganz gewiß. Zwar sagen beide mutatis mutandis dasselbe (nämlich, daß die Medien nicht Ideologien transportieren, sondern selber Ideologien sind), aber die visionäre Emphase McLuhans ist nicht klagend,
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