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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Sedlmayr, der uns weismachen will, daß die Makroskopie einen Verlust der Mitte bedeute, genauso wie der Verrückte, der uns die sieben Streichhölzer hinhält. Er verlangt eine Extrapolation und nötigt sie uns zugleich in der heimtückisch-illegitimsten Weise auf, die wir uns vorstellen können. Wir sind mitten im Cogito interruptus, genauer: in einem Modus, der nicht interruptus wäre, wenn er sich konsequenterweise nicht mehr als Cogito präsentieren würde. Doch das ganze Buch MacLuhans beruht auf der Zwiespältigkeit eines Cogito, das sich negiert und zugleich argu-mentierend auf die Modi der negierten Rationalität beruft.
    Wenn wir das Aufkommen einer neuen Dimension des
    Denkens und physischen Daseins erleben, ist diese Neuerung entweder radikal, umfassend – und hat schon den Sieg errungen –, und dann kann man keine Bücher mehr schreiben, um darzulegen, daß etwas gekommen ist, was alle Bücher obsolet gemacht hat; oder das Problem unserer Epoche besteht darin, die neuen Dimensionen des Denkens und Fühlens mit denen zu integrieren, auf die sich alle unsere Kommunikationsweisen bisher immer noch gründen (auch die des Fernsehens, das ja an der Quelle noch in gut gutenbergischen Dimensionen konzipiert, organisiert und programmiert wird), und dann ist es Aufgabe der Kritik (die sich in Büchern artikuliert), diese Vermittlungsarbeit zu leisten, das heißt die globale Vernetzung und ganzheitliche Verfl ochtenheit in die Termini einer linearen und spezialisierten Gutenberg-Rationalität zu übersetzen.
    McLuhan hat neuerdings begriffen, daß man vielleicht keine Bücher mehr schreiben sollte: In seinem kürzlich erschienenen
    »Nicht-Buch« The Medium is the Massage 45entfaltet er einen Diskurs, der das Wort mit dem Bild verschmilzt und die logischen Ketten zerbricht zugunsten einer synchronen visuell-verbalen Präsentation von Daten, die nicht rational dargelegt, sondern gleichsam vor der Intelligenz des Lesers aufgewirbelt werden. Das Dumme ist nur, daß der Leser, um The Medium is the Massage voll zu verstehen, Understandig Media als Code braucht.
    McLuhan kann sich dem Anspruch auf rationale Erklärung des Prozesses, den wir erleben, nicht entziehen, doch sobald er sich den Ansprüchen des Cogito beugt, ist er gehalten, nicht mitten-drin abzubrechen.
    Das erste Opfer dieser zwiespältigen Situation ist McLuhan selbst. Denn er beschränkt sich nicht darauf, unverbundene Daten aneinanderzureihen und sie uns aufzuschwatzen, als hätten sie einen Zusammenhang. Es kommt auch vor, daß er sich bemüht, uns Daten zu präsentieren, die uns zusammenhanglos und widersprüchlich erscheinen, während er sie durch logische Operationen verbunden denkt, nur schämt er sich offenbar dieser Operationen und zeigt sie uns nicht in Aktion. Lesen wir beispielsweise den folgenden Abschnitt, zunächst ohne Rücksicht auf die hier in Klammern eingefügten Nummern:
    »Es scheint ein Widerspruch zu sein, daß die zerlegende und teilende Kraft unserer analytischen westlichen Welt auf eine Betonung unseres Sehvermögens zurückgehen soll. (1) Der Gesichtssinn ist auch verantwortlich für die Gewohnheit, alle Dinge als kontinuierlich und logisch zusammenhängend zu betrachten. (2) Zerlegung durch Betonung des Visuellen erfolgt durch jene Herauslösung des Moments in der Zeit oder des Gesichtspunkts im Raum, die über das Vermögen des Tastsinns, Gehörs, Geruchssinns und der Bewegung hinausgeht. (3) Indem die elektronische Technik uns bildlich nicht darstellbare Beziehungen aufzwingt, die sich aus ihrer Instantangeschwindigkeit ergeben, entthront sie den Gesichtssinn und versetzt uns wieder ins Reich der Synästhesie und der engen Verfl echtungen zwischen den anderen Sinnen.«46
    Lesen wir nun diesen unverständlichen Abschnitt noch einmal, indem wir an den numerierten Stellen folgende Bindeglieder einsetzen: (1) = Denn, (2) = Jedoch, (3) = Im Gegensatz dazu, und wir werden sehen, daß die Argumentation funktioniert, jedenfalls formal.
    Das alles betrifft jedoch nur die Darlegungsweise.
    Schwerwiegender sind die Fälle, in denen der Autor regelrechte Argumentationsfallen aufstellt. Sie können unter einen Begriff zusammengefaßt werden, der jenen Scholastikern teuer war, die McLuhan, der einstige Kommentator Thomas von Aquins, gut kennen und imitieren sollte: das Äquivok über die suppositio der Termini, also die mehrdeutige Defi nition.
    Der gutenbergische Mensch und vor ihm der alphabetische hatten uns wenigstens beigebracht,

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