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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die Termini unserer Rede genau zu defi nieren. Ihre Defi nition zu vermeiden, um den Leser besser
    »miteinzubeziehen«, kann eine literarische Technik sein (was ist die gewollte Ambiguität des poetischen Redens anderes?), doch im Normalfall ist es ein Gauklertrick.
    Sprechen wir gar nicht von jener ungenierten Vertauschung der gewohnten Konnotationen eines Begriffs, nach welcher heiß bei McLuhan »kritischen Abstand erlaubend« bedeutet und kühl
    »zum Mitmachen einladend«; visuell wird gleichbedeutend mit
    »alphabetisch« und taktil mit »visuell«; Abstand heißt »kritisches Engagement« und Beteiligung »halluzinatorisches Disengagement«
    und so weiter. Hier sind wir noch auf der Stufe einer bewußten Erneuerung der Terminologie zu provokatorischen Zwecken.
    Aber sehen wir uns exemplarisch einige seiner fragwürdigsten Defi nitionsspiele an. Die Behauptung, alle Medien seien »mit ihrem Vermögen, Erfahrung in neue Formen zu übertragen, wirksame Metaphern«47, ist nicht wahr. Ein Medium, etwa die gesprochene Sprache, überträgt Erfahrung in eine andere Form, weil es einen Code darstellt. Eine Metapher dagegen ist, innerhalb eines Codes, die Ersetzung eines Terminus durch einen anderen kraft einer hergestellten und dann verhüllten Ähnlichkeit. Die Defi nition des Mediums als Metapher verhüllt indes auch eine Unklarheit in der Defi nition des Mediums. Zu sagen, das Medium stelle »eine Erweiterung unserer selbst« dar, heißt noch recht wenig. Das Rad erweitert zwar die Möglichkeiten der Füße und der Hebel die Möglichkeiten der Arme, aber das Alphabet reduziert nach Kriterien einer besonderen Ökonomie die Möglichkeiten der Stimmorgane, um die Erfahrung auf eine bestimmte Weise zu codifi zieren. Der Buchdruck ist nicht im gleichen Sinne ein Medium wie die Sprache. Er verändert nicht die Reduktion der Erfahrung auf einen Code, die das Alphabet darstellt, sondern fördert die Verbreitung der alphabetisch geschriebenen Sprache und beschleunigt damit gewisse Evolutionen im Sinne der Präzisierung, Standardisierung usw. Zu sagen, »die Sprache leistet für die Intelligenz, was das Rad für die Füße und den Körper leistet; sie erlaubt den Menschen, sich von einem Gegenstand zum anderen mit größerer Leichtigkeit und Geschwindigkeit und immer geringerer Anteilnahme zu bewegen«48, ist kaum viel mehr als eine aufwendig formulierte Binsenwahrheit.
    In Wirklichkeit leidet die ganze Theorie McLuhans an einer Reihe von Unklarheiten, die für einen Kommunikationstheoreti ker sehr gravierend sind, da sie die Unterschiede zwischen Kanal und Code und Botschaß verwischen. Zu sagen, sowohl die Straße wie die gesprochene Sprache seien Medien, heißt einen Kanal mit einem Code vermengen. Zu sagen, sowohl die euklidische Geometrie wie die Kleidung seien Medien, heißt einen Code (eine Art und Weise, die Erfahrung zu formalisieren) auf die gleiche Stufe zu stellen wie eine Botschaft (eine Art und Weise, mit Hilfe von Kleiderkonventionen etwas auszudrücken, einen Inhalt zu übermitteln). Zu sagen, das Licht sei ein Medium, heißt überse-hen, daß es mindestens drei Bedeutungen von Licht geben kann: 1. Licht als Signal (ich sende Lichtimpulse, die nach dem Code des Morsealphabets eine Botschaft bedeuten können); 2. Licht als Botschaft (das Licht im Fenster meiner Geliebten bedeutet
    »komm!«); 3. Licht als Kanal für andere Informationen (wenn eine Straße erleuchtet ist, kann ich das Plakat an der Mauer lesen).
    In diesen drei Fällen erfüllt das Licht verschiedene Funktionen, und es wäre hochinteressant zu untersuchen, ob sich konstante Elemente unter den so verschiedenen Formen des Phänomens verbergen oder ob durch die verschiedenen Gebrauchsweisen drei verschiedene Licht-Phänomene entstehen. Kurzum, die griffi ge und inzwischen berühmte Formel »Das Medium ist dieBotschaft«
    erweist sich als vieldeutig und belastet mit einer Reihe konträrer Formeln. Tatsächlich kann sie folgendes bedeuten:
    1. Die Form der Botschaft ist ihr wahrer Inhalt (dies die These der avantgardistischen Literaten und der mit ihnen verbündeten Kritiker).
    2. Der Code und somit die Struktur einer Sprache – oder eines anderen Kommunikationssystems – ist die Botschaft (dies die berühmte anthropologische These von Benjamin Lee Whorf, für den die Weltsicht von der Struktur der Sprache determiniert wird).
    3. Der Kanal ist die Botschaft (und somit determiniert das zur Übertragung einer Information gewählte physische Mittel

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