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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fernsehen, haben mit dieser Erfahrung automatisch einen Drang zum totalen Einbezogensein mitbe-kommen, der ihnen die von der herrschenden Kultur visualisierten Fernziele nicht nur allesamt weltfremd erscheinen läßt, sondern irrelevant, ja geradezu blutleer … Diese veränderte Haltung hat nichts mit den Programmen zu tun, sie wäre dieselbe, wenn die Programminhalte allerhöchstes kulturelles Niveau hätten …«42
    »Die elektronische Technik erweitert die Sofortverarbeitung von Informationen durch Herstellung von Querverbindungen in der gleichen Weise, wie das in unserem Zentralnervensystem schon seit langem geschieht. Eben diese Geschwindigkeit stiftet
    ›organische Einheit‹ und beendet das mechanische Zeitalter, das mit Gutenberg machtvoll eingesetzt hatte …«43 »Wenn es die Elektrizität ist, die Energie und Synchronisierung liefert, verschmelzen alle Aspekte der Produktion, des Konsums und der Organisation mit der Kommunikation …«44
    Diese Zitaten-Collage faßt McLuhans Aussagen einigerma-
    ßen übersichtlich zusammen und exemplifi ziert zugleich seine Argumentationsweise, die – paradoxerweise – so kohärent mit der These ist, daß sie deren Stichhaltigkeit entkräftet. Erklären wir das genauer.
    Typisch für unsere Zeit, ihr in jeder Hinsicht einnehmendes und vereinnahmendes Wesen, ist das Beherrschtsein von »kühlen« Medien, zu deren Eigenschaften, wie wir sagten, gehört, daß sie Konfi gurationen von geringem Präzisionsgrad liefern: nicht
    »Fertigprodukte«, sondern Prozesse, und somit nicht lineare Abfolgen von Objekten, Momenten und Argumenten, sondern eine Art Totalität und Gleichzeitigkeit aller vorhandenen Daten.
    Überträgt man nun diese Realität auf die Darstellungsweise, so erhält man einen Diskurs, der nicht in Syllogismen voranschreitet, sondern in Aphorismen. Aphorismen sind (wie McLuhan erinnert) unvollständig und verlangen daher eine tiefe Anteilnahme.
    In diesem Sinne entspricht die Argumentationsweise, die er benutzt, aufs perfekteste jener neuen Welt, in die wir eingeladen sind, uns zu integrieren. Einer Welt, die Leuten wie Sedlmayr als teufl ische Perfektion des »Verlustes der Mitte« erscheinen würde (die Idee der Mitte und der Symmetrie gehört ins Zeitalter der Perspektive, einer Erfi ndung der Renaissance und gutenbergisch wie keine), doch für McLuhan ist sie die nahrhafte »Brühe« der Zukunft, in der die Bazillen der Gegenwart auf eine Weise gedeihen, die sich der Bazillus Alphabet nie hätte träumen lassen.
    Nun hat diese Argumentation allerdings einige Mängel. Der erste besteht darin, daß McLuhan zu jeder Behauptung eine Gegenbehauptung aufstellt und dann beide als kongruent annimmt. In diesem Sinne böte sein Buch sehr gute Argumente sowohl für Sedlmayr und die ganze Clique der Apokalyptiker als auch für die Société anonyme der Integrierten, zitierfähige Passagen sowohl für einen Maoisten, der unsere Gesellschaft anprangern will, als auch für einen Theoretiker des neokapitali-stischen Optimismus. McLuhan fragt nicht erst lange, ob seine Argumente auch alle wahr sind: Ihm genügt es, daß sie alle da sind.
    Was aus unserer Sicht als Widerspruch erscheinen könnte, ist in seiner Sicht einfach Gleichzeitigkeit. Doch da er schließlich ein Buch schreibt, kann sich auch McLuhan nicht dem gutenbergischen Usus entziehen, lineare Argumentationsfolgen aneinanderzureihen. Nur ist die Folgerichtigkeit bei ihm Fiktion, er offeriert uns die Gleichzeitigkeit seiner Argumente, als ob sie eine logische Folge wäre. In einem der angeführten Zitate geht er so blitzschnell vom Bild der Linearität im Management eines Betriebes zum Bild der Linearität im Maschennetz eines Nylonstrumpfes über, daß die Verkoppelung beinahe zwangsläufi g als Kausalverbindung erscheint.
    Gewiß, das ganze Buch McLuhans demonstriert uns ununterbrochen, daß die Elemente »Verschwinden des Fließbandes« und
    »Verschwinden der Netzseidenstrümpfe« nicht durch ein »folglich« verbunden werden dürfen – jedenfalls nicht vom Autor der Botschaft, eher vielleicht schon von ihrem Empfänger, der sich daranmacht, die Lücken in dieser ungenau präzisierten Kette zu füllen. Doch insgeheim wünscht sich McLuhan, daß wir dieses »folglich« einfügen, auch weil er weiß, daß wir gutenber-gischerweise, sobald wir die zwei Daten nebeneinander auf der gedruckten Seite lesen, gezwungen sein werden, in Begriffen einer Sequenz zu denken. Und folglich ist er ein Blender, genauso wie

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