Über Gott und die Welt
(ganz in Zebra tapeziert, mit einem Bett in Form eines Bantu-Götzen), das Hawaii-Zimmer, die California Poppy, den Old Fashioned Honeymoon, den Irischen Hügel, den Stürmischen Gipfel, den William Tell, den Tall and Short Room (für Eheleute von unterschiedlicher Größe, mit einem unregelmäßig polygonen Bett), den Wasserfall an der Felsenwand, den Imperial Room, die Alte Holländische Mühle oder das Schlafzimmer mit Karussell-Effekt.
Madonna Inn ist das Hearst Castle der kleinen Leute, es hat keine künstlerischen oder philologischen Ambitionen, es appelliert an den wilden Geschmack am Verblüffenden, am Vollgestopften und absolut Prächtigen zu geringem Preis. Es verheißt den Besuchern: »Auch ihr könnt das Unglaubliche haben, genau wie die Millionäre!«
Dieses Verlangen nach Opulenz, das im Millionär genauso lebendig ist wie im Mittelklasse-Touristen, erscheint uns fraglos als Markenzeichen des American Way of Life, doch an der Ostküste ist es weniger stark verbreitet, und sicher nicht, weil es dort weniger Millionäre gäbe. Sagen wir, der Ostküsten-Millionär hat weniger Schwierigkeiten, sich durch die Mittel der essentiellen Modernität auszudrücken, durch Bauten in Glas und Beton oder durch Renovierung der alten Neuenglandhäuser. Freilich nur, weil diese Häuser schon da sind. Mit anderen Worten, die Ostküste ist nicht so gierig auf architektonische Prunksammelsurien à la D’Annunzio, weil sie eine eigene Architektur besitzt, die historische der Kolonialzeit und die moderne der Geschäftsviertel.
Barocke Emphase, eklektischer Taumel und Bedürfnis nach Imitation überwiegen dort, wo die posturbane Zivilisation entsteht, repräsentiert durch Los Angeles, eine Metropole aus Sechsundsechzig verschiedenen Städten, in der die Gassen fünfspurige Autobahnen sind und die Menschen den rechten Fuß als Glied zur Bedienung des Gaspedals ansehen und den linken als toten Wurmfortsatz, weil die Autos keine Kupplung mehr haben – und die Augen als eine Art Zoom-Vorrichtung zum Fokussieren von visuell-technischen Zeichen und Wundern, Straßenschildern, Ampeln und Bauten, die sich dem motorisierten Geist in Sekundenschnelle einprägen müssen. Tatsächlich fi nden wir ebendenselben Geschmack an dannunzianischen Vittorialen auch im Zwillingsstaat Kaliforniens, in Florida, das sich gleichfalls als eine artifi zielle Region präsentiert, als ein ununterbrochenes Ineinander von städtischen Zentren, verschlungenen Rampen zu Autobahnen, die sich über weite Buchten schwingen, und künstlichen Amüsierstädten (die zwei Disneylands, die es gibt, liegen in Kalifornien und in Florida, aber das in Florida, hundertfünfzigmal größer, ist noch zukunftsgläubiger und pharaonischer).
In Florida, südlich von Saint Petersburg, über eine Sequenz von Hängebrücken, die ganze Meeresarme überspannen, und auf einer Autobahn, die knapp über dem Wasserspiegel zwei Städte miteinander verbindet, quer über eine Bucht, die ebenso herrlich wie unpraktisch ist für Menschen ohne fahrbaren Untersatz, ohne Boot und private Bucht, gelangt man nach Sarasota. Hier hat die Ringling-Dynastie (Zirkusmagnaten vom Format eines Barnum) weitläufi ge Monumente ihrer selbst hinterlassen. Ein Zirkusmuseum, eine Gemälde- und Skulpturensammlung mit angeschlossener Renaissance-Villa samt Theater aus Asolo und schließlich die Ca’ d’Zan. Der Name bedeutet, wie der Führer erklärt, »House of John in Venetian dialect«, und tatsächlich ist die Ca’ d’Zan ein Palazzo oder genauer ein Stück Fassade vom Canal Grande. Davor ein hinreißend schöner botanischer Garten, in dem zum Beispiel ein echter Banyan steht (jawohl, ein benga-lesischer Feigenbaum wie bei Salgari4), dessen wild verschlungene Luftwurzeln eine Art Söller bilden, auf dem sich eine Bronzefi gur erhebt. Hinten gelangt man über eine Terrasse von mäßig ve-nezianischem Zuschnitt, vorbei an weiteren Bronzen (hier ein Cellini, dort ein Giambologna, beide falsch, aber mit echtem Grünspan, der das Metall an den richtigen Stellen zerfrißt), zu einer der Buchten Floridas, einst Paradies der ersten Erkunder oder gesegnetes Land des kleinen Jody, als er schluchzend den unsterblichen Flag verfolgte, den Yearling. 5
Ca’ d’Zan ist ein venezianischer Palast wie aus einem
Abituraufsatz mit dem Thema: »Beschreiben Sie einen Palast in Venedig, Symbol der Prachtentfaltung und des historischen Schicksals der Dogen, Ort der Begegnung von lateinischer Zivilisation und maurischer
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