Über Gott und die Welt
durchdrungen) dem Kunden anbieten, um sowohl seine wie ihre affl uence zu dokumentieren: Beefsteaks, vier Finger hoch, mit Langusten und baked potatoes (und Creme und zerlassener Butter und gekochten Tomaten und Meerrettichsoße), denn so hat der Kunde more and more und nichts mehr zu wünschen.
Als unvergleichliche Sammlung auch authentischer Stücke erreicht das Schloß des Citizen Kane eine psychedelische Wirkung und ein Kitsch-Resultat. Aber nicht weil es keinen Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart macht (denn so verfuh-ren im Grunde auch schon die Feudalherren alter Zeiten beim Anhäufen ihrer seltenen Stücke, und das gleiche Stilgemisch herrscht in vielen romanischen Kirchen mit barockisiertem Altar und womöglich einem Glockenturm aus dem 18. Jahrhundert).
Das Abstoßende ist vielmehr die wahllose Raffgier, mit der es sich alles einverleibt hat, was es kriegen konnte, und das Beklemmende ist die eigene Angst, womöglich der Faszination dieses Dschungels von venerablen Schönheiten zu erliegen, denn zweifellos hat er einen eigenen wilden Geschmack, eine eigene pathetische Wehmut und barbarische Größe und sinnliche Perversität, und mit der Ansteckung atmet er auch den Geist der Lästerung, der Schwarzen Messe – wie wenn man in einem Beichtstuhl bumst, mit einer Nutte im Priesterkleid, auf den Lippen Verse von Baudelaire, während zehn elektrische Orgeln das Wohltemperierte Klavier verströmen, gespielt von Skrjabin.
Aber Hearst Castle ist kein Unikum, es fügt sich aufs kohärenteste in die Touristenlandschaft Kaliforniens, zwischen die wächsernen Abendmahle und Disneyland. Verlassen wir also das Schloß und begeben uns nur ein paar Dutzend Meilen weiter nach San Luis Obispo. Dort, zu Füßen des Mount San Luis, den sich ein Mister Madonna komplett erworben hat, um darauf eine Reihe Motels von entwaffnender Pop-Vulgarität zu errichten, dort erhebt sich Madonna Inn.
Die dürftigen Worte der menschlichen Sprache reichen nicht aus, um Madonna Inn zu beschreiben. Um den Anblick der Bauten wiederzugeben, die man erreicht, wenn man eine in dolomitischen Fels gehauene Tankstelle hinter sich hat, um das Restaurant, die Bar, die Cafeteria zu schildern, kann man nur einige tastende, ungefähre Vergleiche wagen. Sagen wir, Albert Speer oder Piacentini2 hätten beim Blättern in einem Buch über Gaudi eine zu starke Dosis LSD geschluckt und sich plötzlich vorgenommen, eine Hochzeitsgrotte für Liza Minelli zu bauen.
Aber das trifft es noch nicht. Sagen wir, Arcimboldi ersinnt für Heino eine Sagrada Familia. Oder Carmen Miranda entwirft für McDonald’s ein Lokal à la Tiffany. Oder auch: D’Annunzios Vittoriale am Gardasee (oder Ludwigs des »Kini« Neuschwanstein im Allgäu), imaginiert von Louis de Funès, Calvinos »Unsichtbare Städte«, beschrieben von Sandra Paretti und realisiert von Leonor Fini3 für das Oktoberfest, Chopins b-Moll-Sonate, gesungen von Karel Gott nach einem Arrangement von Liberace und gespielt von der Feuerwehrkapelle zu Hintertupfi ngen … Aber das trifft es noch immer nicht ganz. Versuchen wir, die Toiletten zu schildern.
Eine riesige unterirdische Höhle, halb Altamira, halb Adelsberg, mit byzantinischen Säulchen, auf denen barocke Gipsputten stehen. Die Waschbecken große Perlmuschelschalen, das Pissoir ein in den Fels gehauener Kamin, doch wenn der Urinstrahl (Entschuldigung, aber man muß das erklären) den Boden be-rührt, entquillt den Wänden der Rauchkappe Wasser und schießt in Kaskaden hernieder, als wär’s die Spülung in den Höhlen des Affenplaneten Mongo. Im Erdgeschoß dann, vor einem Panorama aus Tiroler Berghütten und Renaissance-Schlößchen, eine Flut von Lüstern in Form von Blumenkörben, Misteltrauben, aus denen opalisierende, veilchenblaue und mattgelbe Glaskugeln wachsen, umschaukelt von viktorianischen Püppchen. Die Wände durchbrochen von Jugendstilfenstern in Chartres-Farben, dazwi-schen Regency-Tapisserien im Stil des sozialistischen Realismus der frühen Jahre. Die runden Sofas golden und pink, die Tische aus Gold und Glas, das Ganze eine verwegene Mischung aus farbenprächtiger Eisbombe, Pralinéschachtel, Sahnetorte und Knusperland für Hänsel und Gretel.
Alsdann die Zimmer, etwa zweihundert an der Zahl, je-
des mit einem anderen Charakter. Zu einem mäßigen Preis (und mit einem Riesenbett – King’s oder Queen’s Bed – für Hochzeitsreisende) erhält man das Prähistorische Zimmer (ganz Tropfsteinhöhle), den Safari Room
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