Über Gott und die Welt
Die Welt der Kommunikation ist voll von Kannibalen, die ein Instrument zur Messung der Zeit in einen Op-Art-Schmuck verwandeln.
Wenn das geschieht, kann man nicht sagen, das Medium sei die Botschaft. Zwar mag die Erfi ndung der Uhr, indem sie uns daran gewöhnt hat, die Zeit in Form eines gleichmäßig auf-geteilten Raumes zu denken, für einige Menschen auch die Wahrnehmungsweise verändert haben, doch zweifellos gibt es noch einige, für welche die »Botschaft Uhr« etwas anderes bedeutet.
Doch wenn das geschieht, kann auch die Einwirkung auf die Form und den Inhalt der Botschaft nicht das Bewußtsein ihres Empfängers verändern. Denn immerhin hat der Empfänger ja beim Empfang der Botschaft noch einen Rest von Freiheit, nämlich sie anders zu lesen.
Ich sage »anders«, nicht »falsch«. Eine knappe Vergegenwärtigung des Grundmodells der Kommunikationskette kann uns helfen, diesen Punkt genauer zu klären.
Die Kommunikationskette setzt eine Quelle voraus, die mittels eines Sendegeräts ein Signal durch einen Kanal sendet. Am Ende des Kanals wird das Signal durch ein Empfangsgerät in eine Botschaft zum Gebrauch des Empfängers verwandelt. Im Kanal können Störgeräusche auftreten, weshalb die Botschaft entsprechend redundant sein muß, damit die Information klar durchkommt. Das andere Grundelement dieser normalen
Kommunikationskette ist jedoch die Existenz eines für die Quelle und den Empfänger gemeinsamen Codes. Ein Code ist ein im voraus festgelegtes System von Wahrscheinlichkeiten, und nur anhand des Codes kann der Empfänger entscheiden, ob die Elemente der Botschaft intentional sind (von der Quelle gewollt) oder Folgen der Störgeräusche. Es scheint mir sehr wichtig, die verschiedenen Glieder dieser Kette im Auge zu behalten, denn wird auch nur eines davon vernachlässigt, ergeben sich Mißverständnisse, die eine genaue Betrachtung des Phänomens verhindern. So ergibt sich zum Beispiel ein großer Teil der Thesen McLuhans über das Wesen der Medien aus der Tatsache, daß er allgemein »Medien« nennt, was sich bald auf einen Kanal, bald auf einen Code und bald auf die Form der Botschaft reduzieren läßt. Das Alphabet reduziert die Möglichkeiten der Stimmorgane nach Kriterien der Ökonomie und liefert damit einen Code zur Kommunikation der Erfahrung; die Straße liefert mir einen Kanal, durch den ich eine beliebige Information auf den Weg bringen kann. Wer sagt, das Alphabet und die Straße seien
»Medien«, vermengt einen Code mit einem Kanal. Wer sagt, die euklidische Geometrie und die Kleidung seien Medien, vermengt einen Code (die Elemente Euklids sind eine Art und Weise, die Erfahrung zu formalisieren und kommunizierbar zu machen) mit einer Botschaft (wenn ich einen bestimmten Anzug trage, kommuniziere ich auf der Basis von Kleidercodes – von gesellschaftlich akzeptierten Konventionen – eine Haltung gegenüber meinesgleichen). Wer sagt, das Licht sei ein Medium, macht sich nicht klar, daß es mindestens drei Bedeutungen von »Licht«
gibt: Licht kann ein Informationssignal sein (ich benutze die Elektrizität, um Lichtimpulse zu senden, die nach dem Code der Morsezeichen eine bestimmte Botschaft bedeuten), Licht kann eine Botschaft sein (meine Geliebte stellt ein Licht ins Fenster, um mir kundzutun, daß ihr Mann nicht da ist), und Licht kann ein Kanal sein (wenn ich im Zimmer das Licht brennen lasse, kann ich die Botschaft »Buch« lesen). In allen drei Fällen variiert die Relevanz, die ein Phänomen für den sozialen Körper hat, je nach der Rolle, die es in der Kommunikationskette spielt.
Doch um im Beispiel zu bleiben, in allen drei Fällen variiert auch die Botschaft je nach dem Code, mit dem ich sie interpretiere. Die Tatsache, daß mein Licht ein Signal ist, wenn ich den Code der Morsezeichen benutze, um Lichtsignale zu senden (und daß mein Signal eben Licht ist und nichts anderes), ist für den Empfänger viel weniger relevant als die Frage, ob er das Morse-Alphabet kennt. Wenn beispielsweise im zweiten zitier-ten Fall meine Geliebte das Licht als Signal benutzt, um mir per Morsezeichen die Botschaft zu senden »mein Mann ist zu Hause«, während ich weiter den Code benutze, den wir festgelegt hatten, wonach »Licht im Fenster« eben »Mann nicht da« hieß, so ist das Bestimmende für mein Verhalten (mit allen unange-nehmen Folgen, die sich daraus ergeben) weder die Form der Botschaft noch ihr Inhalt nach dem Willen der Quelle, sondern der Code, den ich benutze. Der benutzte
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