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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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macht.
    Der Athlet ist ein Monstrum, er ist der Lachende Mann16, die Geisha mit den verstümmelten Füßen, zurechtgestutzt zur totalen Instrumentalisierung.
    Doch der Athlet als Monstrum entsteht, wenn der Sport ins Quadrat gehoben wird, das heißt wenn er aus dem persönlich und selber gespielten Spiel, das er war, zu einer Art Rede oder Diskurs über das Spiel wird, beziehungsweise zu einem Schauspiel für andere und damit zu einem Spiel, das andere spielen und dem ich als Zuschauer beiwohne. Der Sport hoch zwei ist das Sportspektakel.
    Wenn der betriebene Sport gesund ist, so gesund wie die Nahrungsaufnahme, dann ist der gesehene Sport die Mystifi zierung dieser Gesundheit. Wenn ich zusehe, wie andere spielen, tue ich nichts Gesundes und vergnüge mich lediglich vage an der Gesundheit anderer (was bereits ein schaler Voyeurismus ist, als sähe ich zu, wie andere sich lieben); denn faktisch ziehe ich dann das größte Vergnügen aus den Unfällen derer, die da Gesundheitsübungen treiben, und somit aus der Krankheit, die diese praktizierte Gesundheit untergräbt (als sähe ich zu, wie nicht zwei Menschen sich lieben, sondern zwei Bienen, in der Erwartung, den Tod der Drohne zu sehen).
    Gewiß, wer zusieht, wie andere Sport treiben, regt sich beim Zusehen auf und schreit und zappelt und betreibt somit eine physisch-psychische Übung und baut Aggressionen ab und diszipliniert Konkurrenzverhalten. Doch dieser Abbau wird nicht wie im praktizierten Sport durch einen Zuwachs an Energie und einen Erwerb von Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung belohnt, denn während die Athleten immerhin noch im Spiel wetteifern, wetteifern die Voyeure im Ernst (und fallen dann wütend übereinander her oder sterben an Herzinfarkten).
    Das Element der Disziplinierung des Konkurrenzverhaltens, das im betriebenen Sport noch die zwei Gesichter der Zunahme und des Verlusts von Menschlichkeit hatte, behält im Sportvoyeurismus nur noch das eine, das negative. Der Sport präsentiert sich hier wieder als das, was er immer schon war: instrumentum regni, Herrschaftsinstrument. Man weiß es und kennt es seit langem: Circenses halten die unkontrollierbaren Energien der Massen im Zaum.
    Doch dieser Sport hoch zwei (auf den bereits Spekulationen und Märkte, Börsen und Transaktionen, Verkaufsstrategien und Konsumzwänge einwirken) generiert einen Sport hoch drei, nämlich das Reden über den Sport als Spektakel. Dieses Reden ist in erster Instanz die Rede der Sportpresse, aber es generiert seinerseits ein Reden über die Sportpresse, also einen Sport hoch n. Das Reden über die Rede der Sportpresse ist das Gerede über ein Reden über das Sehen des Sporttreibens anderer als einer Rede.
    Der heutige Sport ist im wesentlichen das Reden über die Sportpresse (und die »Sportschau«, A.d.Ü.). Irgendwo hinter drei Trennscheiben gibt es noch den real betriebenen Sport, aber im Grenzfall bräuchte er gar nicht mehr zu existieren.
    Angenommen, die Olympischen Spiele in Mexiko hätten, infolge teufl ischer Machenschaften der Regierung und des Senators Brundage, im Bündnis mit allen Fernsehanstalten der Welt, in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden, sondern wären nur Tag für Tag und Stunde für Stunde mit fi ktiven Bildern fi ngiert worden, es hätte nichts am internationalen Sportsystem geändert und auch die Sportdiskutierer würden sich nicht getäuscht fühlen.
    So gesehen gibt es den Sport als Praxis gar nicht mehr, oder es gibt ihn nur noch aus ökonomischen Gründen (weil es billiger ist, echte Athleten laufen zu lassen, als einen Film zu drehen mit Schauspielern, die Athleten spielen). Es gibt nur noch das Gerede über das Gerede über den Sport. Das Gerede über das Gerede der Sportpresse ist ein genau geregeltes Spiel, man höre nur einmal jene Sonntagvormittags-Radiosendungen, in denen so getan wird, als redeten ein paar Bürger über Sport, während sie beim Friseur sitzen (womit der Sport in die Potenz n n gehoben wird). Oder man gehe hin und höre sich die Reden dort an, wo sie geführt werden.
    Man wird entdecken, was im übrigen jeder schon weiß, daß die Bewertungen, die Abwägungen, die Argumente, die polemischen Spitzen, die Verleumdungen und die Triumphe einem verbalen Ritual folgen, das zwar komplexe Formen, aber einfache und präzise Regeln hat. In diesem Ritual entladen und neutralisieren sich die intellektuellen Energien – die physischen Energien sind nicht mehr im Spiel. Infolgedessen verlagert sich der Wettkampf auf die rein

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