Über Gott und die Welt
Gemetzel, angerichtet von biederen Bürgern, in Rage über den ungeheuerlichen Affront, um nichts Größeres zu verteidigen als jenes angetastete Höchste Recht – und daher bereit zur totalen Lynchjustiz.
Denn man kann eine Kathedrale besetzen, und als Ergebnis hat man einen protestierenden Bischof, ein paar verstörte Katholiken, ein Häufchen applaudierender Atheisten, die Linken schütteln milde den Kopf, und die Altliberalen sind (insgeheim) glücklich.
Man kann die Zentrale einer Partei besetzen, und die anderen Parteien, ob solidarisch oder nicht, werden fi nden, daß es ihr recht geschieht. Doch wenn man ein Stadion besetzen würde, wäre, ganz abgesehen von den unmittelbaren Reaktionen, die Distanzierung total: Die Kirche, die Linke, die Rechte, der Staat, die Justiz, die Chinesen, die Liga für Ehescheidung und die Anarcho-Syndikalisten, alle würden die Wahnsinnstat an den Pranger stellen. Es gibt also eine Dunkelzone der kollektiven Gefühle, die niemand antasten darf, ob aus Überzeugung oder aus demagogischem Kalkül. Es gibt eine Tiefenstruktur des Sozialen, deren Zerfall jedes mögliche Assoziationsprinzip in die Krise brächte – und somit die Präsenz des Menschen auf Erden, zumindest wie er in den letzten zigtausend Jahren präsent war.
Der Sport ist der Mensch, der Sport ist die Gesellschaft.
Doch wenn eine globale Revision unserer menschlichen
Lebensverhältnisse ansteht, dringe sie vor bis zum Sport: An dieser tiefsten Wurzel wird sie die Inkonsistenz des Menschen als soziales Wesen enthüllen. Hier wird zutage treten, was am Verhältnis der Gesellschaftlichkeit nicht menschlich ist. Hier wird sich zeigen, wie mystifi zierend der Klassische Humanismus ist, der auf der griechischen Anthropolalie beruht, die ihrerseits nicht auf der Kontemplation beruht, auch nicht auf dem Begriff der Polis oder dem Primat des tätigen Schaffens, sondern auf dem Sport als kalkulierter Verschwendung, als Problembemäntelung, als »Gerede« hoch n , potenziert zum Geräusch. Um es kurz zu sagen – wir werden das weiter unten erklären –, der Sport ist die größte Aberration und Verselbständigung der phatischen Rede und somit – im Grenzfall – die Negation jeder Rede, also der Anfang einer Enthumanisierung des Menschen, beziehungsweise die »humanistische« Erfi ndung eines im Ansatz mystifi zierenden Menschenbildes.
Beherrschend in der sportlichen Aktivität ist die Idee der
»Verschwendung«. Im Prinzip ist jede sportliche Handlung eine Verschwendung von Energien: Wenn ich einen Stein werfe, aus purem Vergnügen am Werfen, nicht um irgendein nützliches Ziel zu erreichen, verschwende ich Kalorien, die ich durch Nahrungsaufnahme akkumuliert habe, wozu mich eine geleistete Arbeit befähigt hat.
Nun ist diese Verschwendung – das sollte klar sein – etwas durchaus Gesundes. Sie ist die Verschwendung des Spiels. Und der Mensch hat, wie jedes Tier, ein sowohl physisches wie psychisches Spielbedürfnis. Es gibt also eine spielerische Verschwendung, auf die wir nicht verzichten können: Sie betreiben heißt frei sein, sich befreien von der Tyrannei der unentbehrlichen Arbeit.
Wenn, während ich den Stein werfe, ein anderer neben mich tritt, um ihn noch weiter zu werfen, nimmt das Spiel die Form des »Wettkampfes« an. Auch er ist eine Verschwendung, sowohl von physischer Energie wie von Intelligenz, um Regeln für das Spiel aufzustellen, doch diese spielerische Verschwendung mündet in einen Gewinn. Rennen meliorieren die Rassen, Wettbewerbe entwickeln und kontrollieren das Konkurrenzverhalten, lenken die Uraggressivität in ein System und formen die rohe Kraft zur Intelligenz.
Doch bereits in diese Defi nition hat sich der Wurm eingenistet, der das Spiel an den Wurzeln aushöhlt: Der Wettkampf diszipliniert und neutralisiert die Kräfte der Praxis. Er dämpft zwar übermäßigen Tatendrang, aber faktisch ist er ein Mechanismus zur Neutralisierung des Handelns.
Aus diesem Kern von zwiespältiger Gesundheit (die nur
bis zu einer gewissen Grenze »gesund« ist – so wie man am Übermaß jener unverzichtbaren und befreienden Übung sterben kann, die das Lachen ist, und Margutte zerbirst vor übertriebener Gesundheit) reifen die ersten Degenerationen des Wettkampfs – wie beispielsweise die Züchtung von menschlichen Wesen zu Wettkampfzwecken. Der Athlet ist bereits ein Wesen, das ein einziges Organ hypertroph entwickelt hat, das seinen Körper zum exklusiven Sitz und Quell eines Dauerspiels
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