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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die der Seele der Massen viel näher sind. Ist der bewaffnete Kampf am Sonntag des Endspiels möglich?
    Vielleicht müßte man weniger allgemeine politische
    Diskussionen führen und statt dessen mehr Soziologie der Circenses betreiben. Auch weil es Circenses gibt, die nicht auf den ersten Blick als solche erscheinen: zum Beispiel gewisse Zusammenstöße zwischen Polizei und »gegensätzlichen Extremisten«, die in manchen Zeiten immer nur samstags statt-fi nden, nachmittags zwischen fünf und sieben. Sollte Videla etwa Agenten in die italienische Gesellschaft eingeschleust haben?
    (19. Juni 1978)
    V
    Beim Lesen der Dinge
    Zwei Familien von Gegenständen
    Die Absicht, eine Kolumne über Zeichen und Mythen zu schreiben (nicht in regelmäßiger Folge, eher als Reaktion auf die Reize, die von allen Seiten her kommen, und wenn sie kommen), schien mir ein guter Anlaß für eine fromme Pilgerfahrt zu einem der Heiligtümer unserer industriellen Massenkommunikation, nämlich zur Mailänder Messe. Im Bewußtsein, sie als ein bestimmter Besuchertyp zu begehen. Denn es ist eines, sie als Geschäftsmann zu besuchen: Dem Industrie- und Handelsvertreter macht die Industrie- und Handelsmesse nichts vor, ihm bietet sie die Chance zu fi nden, was er sucht, es zu berühren und zu erwerben. Für ihn ist sie ein klares Spiel ohne doppelten Boden, ehrlich zumindest insoweit, als ökonomische Konkurrenz in einer Marktwirtschaft ehrlich sein kann. Etwas anderes ist es, sie als Schaulustiger zu besuchen (wie es die meisten Besucher tun): Für den Schaulustigen ist die Messe ein großer Jahrmarkt der trium-phierenden Waren, eine Art jüngere Schwester der großen internationalen Universalausstellungen. Und wenn Marx recht hatte, als er sagte: »Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ungeheure Warensammlung«, dann ist eine Universalausstellung der Tempel, in dem die Waren jeden realen Kontakt zum Gebrauchswert und einen Großteil ihrer Kontakte zum Tauschwert verlieren, um reine konnotative Zeichen von hohem Gefühlswert zu werden.
    Sie verlieren gleichsam ihre konkrete Individualität, um lauter Schlagworte eines Lobgesangs auf den Fortschritt zu werden, eines Hymnus auf den Überfl uß und das Glück des Konsums und der Produktion.
    Doch eine Mustermesse ist nur zur Hälfte eine
    Universalausstellung. Denn die Waren sind ja auch da, um verkauft zu werden. Sie sind Zeichen eines unbestimmten Verlangens, aber auch Gegenstände eines bestimmten und präzisen Wunsches.
    Die immense Ansammlung von Objekten, die hier zu bestaunen ist, verweist uns auf jene »Soziologie der Objekte«, die sich zur Zeit in Frankreich entwickelt und von der wir ein andermal sprechen wollen. Eine Soziologie (oder Semiologie) der Objekte verlangt jedoch, daß diese im konkreten System der Gesellschaft gesehen werden, die sie erzeugt und aufnimmt, daß sie also wie eine Sprache verstanden werden, eine Sprache, der man zuhört, während sie gesprochen wird, und deren Regelsystem man zu identifi zieren versucht. Hier dagegen erscheinen die Gegenstände aufgereiht nebeneinander wie in einem Wörterbuch oder in einer Grammatik, Verben bei Verben, Adjektive bei Adjektiven, Lampen bei Lampen, Traktoren bei Traktoren. Wäre daraus nicht zu schließen, daß diese Versammlung von Waren, als die eine Mustermesse sich darstellt, dem Besucher faktisch die Freiheit beläßt, da sie ihm keine Logik des Akkumulierens von Wertgegenständen aufdrängt, sondern einen kühlen Blick erlaubt, eine Wahl? Durchaus nicht, aber die ideologische Botschaft einer Messe tritt erst bei einem zweiten Blick zutage, wenn man schon fast den Reizen ihrer Verführung erlegen ist.
    Die Gegenstände, die sich hier fi nden, sind von zweierlei Art. Die einen sind »schön«, begehrenswert und alles in allem erschwinglich: Sessel, Lampen, Schlackwürste, Spirituosen, Motorboote, Swimmingpools und so weiter. Der Besucher mag sie und möchte sie haben. Vielleicht kann er sich kein Motorboot kaufen, aber er kann an die ferne Möglichkeit denken, eines Tages, wer weiß, sich auch diesen Luxus zu leisten. Nur eines begehrt er nicht: lauter Dinge der gleichen Art zu akkumulieren.
    Er kann einen Aschenbecher haben wollen, aber nicht hundert Aschenbecher, ein Schlauchboot, aber nicht tausend. Insofern ist sein Verlangen zielgerichtet und nicht hysterisch, es läßt sich aufschieben, doch seine Schwererfüllbarkeit stiftet niemals das Drama der

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